Blutdrucksenkung durch Musik



Wirkt Musikhören langfristig blutdrucksenkend?

 

Musik wirkt sich positiv auf die Stimmung aus und hat potenziell vorteilhafte Wirkungen auf die Gesundheit (Bernatzky 2011). Studien zeigen viel versprechende Effekte der Musiktherapie als unterstützende Maßnahme bei der Behandlung verschiedener Krankheiten. Zahlreiche Untersuchungen haben kurzfristig positive Auswirkungen auf den Blutdruck bei medizinischen Eingriffen bzw. Operationen dokumentiert, aber auch über günstige Langzeitwirkungen bei der Behandlung von Schlafstörungen oder Depressionen wurde berichtet (Kamioka 2014, Maratos 2008).
Die Musiktherapie hat dabei zu einer Verbesserung der Lebensqualität und der Blutdruckkontrolle von Patienten beigetragen, was darauf hindeutet, dass Musik einen therapeutischen Ansatz bei der Behandlung der Hypertonie darstellen könnte.


Studien zur Wirksamkeit von Musik bei Bluthochdruck

 

Wirkung klassischer Musik

Die Auswirkung von Musik auf den Blutdruck von Patienten nach Myokardinfarkt wurde in einer Studie an 60 Patienten untersucht. Die Patienten wurden in drei Gruppen unterteilt und hörten entweder Mozart- oder Beatles-Musik, eine Kontrollgruppe hörte für die gleiche Zeit eine Nachrichtensendung. Ergebnis: Im Vergleich zur Gruppe, die Beatles-Musik (-1,3 mmHg) oder Nachrichten (0,6 mmHg) hörte, sank der systolische Blutdruck in der Mozart-Gruppe signifikant um -7,2 mmHg. Der diastolische Blutdruck unterschied sich nicht zwischen den Gruppen (Gruhlke 2015). Fazit: Diese Ergebnisse sprechen für einen besonderen Stellenwert von klassischer Musik bei der Blutdrucksenkung.




Wirkung von Musik bei Depression

In einer weiteren randomisierten, kontrollierten Studie gelang der Nachweis, dass ältere Probanden, die für einen Monat eine Musiktherapie durchführten (tägliches Musikhören), eine statistisch signifikante Reduktion der Depressionswerte, des Blutdrucks und der Herzfrequenz aufwiesen (Chan 2009).

Wirkung von Musik auf die manifeste Hypertonie


Das Ziel einer weiteren Untersuchung war es zu prüfen, ob und in welchem Umfang das tägliche Hören von Musik hypertensiven Patienten helfen kann, ihren Blutdruck zu senken. 30 Probanden im Alter von 63-93 Jahren nahmen an der Studie teil und wurden entweder einer Musikgruppe (n = 15) oder einer Kontrollgruppe (n = 15) zugeteilt. Die Probanden der Musikgruppe hörten selbst ausgewählte Musik, 25 Minuten täglich, für 4 Wochen. Ergebnisse: Nach 4 Wochen betrug die durchschnittliche Abnahme beim Blutdruck in der Musikgruppe 11,8 mmHg systolisch und 4,7 mmHg diastolisch. Keine signifikanten Änderungen des Blutdrucks wurden in der Kontrollgruppe beobachtet. 
Die Ergebnisse legen nahe, dass das Hören von Musik dazu beiträgt einen erhöhten systolischen Blutdruck zu reduzieren. Die Autoren befürworten daher die Musiktherapie als eine Ergänzung zur medikamentösen Behandlung von Bluthochdruck (Teng 2007).

Auch eine aktive Musiktherapie führte in einer Studie (klassischen Instrumentalgitarre als Musiktherapie) zu einer Senkung der Blutdruckwerte. In dieser Untersuchung wurde die alleinige medikamentöse Behandlung (Olmesartan) mit der Kombination aus medikamentöser Therapie und Musiktherapie verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kombination von Musiktherapie und Medikamenten im Vergleich zur isolierten antihypertensiven Behandlung zu einer verbesserten Blutdruckkontrolle führte (Ramasamy 2017).


Metaanalysen zur Wirkung von Musik auf den Blutdruck

Nachdem mehrere kleinere Studien den Einfluss von Musik auf den Blutdruck untersucht hatten, wurde in einer Metaanalyse zusammenfassend die Wirkung von Musik auf erhöhte Blutdruckwerte analysiert.
Ergebnisse: Musik führte im Vergleich zur Kontrollgruppe im Durchschnitt zu einer Verbesserung der systolischen Blutdruckwerte um -6,58 mmHg. Beim diastolischen Blutdruck wurde hingegen kein signifikanter Unterschied gefunden (do Amaral 2016).
Fazit der Autoren: Musikhören kann den systolischen Blutdruck senken und sollte als ein wirksamer Bestandteil der Versorgung von Bluthochdruckpatienten berücksichtigt werden.

Eine weitere systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse zeigte hingegen nur einen Trend zu einer Senkung des Blutdrucks durch Musik bei Bluthochdruckpatienten. Ein statistisch signifikanter Unterschied konnte nicht dokumentiert werden (Kühlmann 2016).

Hat eine Blutdrucksenkung von wenigen mmHg überhaupt eine klinische Relevanz?

Untersuchungen konnten nachweisen, dass bereits relativ kleine Änderungen, wie z.B. eine 5 mmHg-Senkung des systolischen Blutdrucks, zu einer 7%igen Reduktion der Gesamtmortalität führen. Die gleiche Abnahme des systolischen Blutdrucks führte in weiteren Untersuchungen zu einer 9%igen Abnahme der Sterblichkeit bei koronarer Herzkrankheit oder zu einer Reduktion der Schlaganfall-Sterblichkeit um 14 % (Chobanian 2003, Whelton 2002). Diese Zahlen verdeutlichen, wie relevant sogar eine geringe Abnahme des Blutdrucks sein kann.


Diskussion 

Zahlreiche Untersuchungen an Erwachsenen konnten nachweisen, dass die blutdrucksenkende Wirkung von Musik mehr auf den systolischen Blutdruck als auf den diastolischen Blutdruck zurückzuführen ist (Sumathy et al., 2015).

Weitere Studien haben gezeigt, dass bestimmte Arten von Musik (klassische Musik, z. B. Mozart) effektiver als andere zur Senkung des Blutdrucks beitragen (Crippa et al., 2012). Obwohl bei der Mehrheit der Untersuchungen klassische, entspannende oder langsame Musik zur Anwendung kam, gibt es keine klaren Empfehlungen, welche Musikkategorie oder Stilrichtung bei der Behandlung von Bluthochdruck optimal wirksam ist. Die Wirkung von Musik kann durch die Berücksichtigung der persönlichen Präferenzen des Patienten stark verbessert werden. Angst- und schmerzreduzierende Effekte sind am größten, wenn Menschen die Wahl haben, ihre eigene Lieblingsmusik zu hören (Bradt 2013).

Es gibt auch Empfehlungen zur Dauer des täglichen Musikhörens: Demnach sollte eine Mindestdauer von täglich 30 Minuten angestrebt werden, um eine blutdrucksenkende Wirkung zu erzielen.

Einige Experten vertreten die Auffassung, dass Musik als eine Ablenkung (Distraktor) wirkt, indem sie die Aufmerksamkeit des Patienten von negativen Reizen auf etwas Angenehmes und Ermutigendes lenkt und so Angst und Stress reduziert (Nilsson et al., 2003). Diese Stressreduktion kann zu einer Senkung des Blutdrucks führen (Watkins, 1997).


Fazit

Einmaliges oder regelmäßiges Musikhören hat eine blutdrucksenkende Wirkung bei Personen mit Bluthochdruck. Entscheidend für die Wirkung sind wahrscheinlich die persönlichen Musikpräferenzen des Betroffenen. Als Mindestdauer werden 30 Minuten empfohlen. Zukünftige Studien müssen klären, ob durch ein regelmäßiges, entspannendes Musikhören die medikamentöse antihypertensive Therapie reduziert werden kann. Es scheint ebenfalls möglich, dass eine Prä-Hypertonie bzw. grenzwertig erhöhte Blutdruckwerte durch eine Musiktherapie wieder in den Normalbereich überführt werden können. Hierzu fehlen bisher allerdings Daten.


Weitere Beiträge zur Blutdrucksenkung:


Literatur, Quellennachweis

1. Bernatzky, G., Presch, M., Anderson, M. and Panksepp, J. Emotional foundations of music as a non-pharmacological pain management tool in modern medicine. Neurosci. Biobehav. Rev., 2011;35: 1989-99.
2. Bradt J, Dileo C, Potvin N. Music for stress and anxiety reduction in coronary heart disease patients. Cochrane Database Syst Rev. 2013;12:CD006577.
3. Chan, M.F., Chan, E.A., Mok, E. and Kwan Tse, F.Y. Effect of music on depression levels and physiological responses in community based older adults. Int. J. Ment. Health Nurs., 2009 (18)4: 285-94.
4. Chobanian AV, Bakris GL, Black HR, Cushman WC, Green LA, Izzo JL, Jr, Jones DW, Materson BJ, Oparil S, Wright JT, Jr, et al. The seventh report of the Joint National Committee on Prevention, Detection, Evaluation, and Treatment of High Blood Pressure: the JNC 7 report. JAMA. 2003;289(19):2560–72.
5. Crippa, G., Crippa, C., Cassi, A. and Luisa, F.M. Effect of music listening during blood pressure measurement. J. Clin. Hypertens, 2012;14 Suppl 1:10.
6. do Amaral MA, Neto MG, de Queiroz JG, Martins-Filho PR, Saquetto MB, Oliveira Carvalho V. Effect of music therapy on blood pressure of individuals with hypertension: A systematic review and Meta-analysis. Int J Cardiol. 2016 Jul 1;214:461-4.
7. Gruhlke LC, Patrício MC, Moreira DM. Mozart, but not the Beatles, reduces systolic blood pressure in patients with myocardial infarction. Acta Cardiol. 2015 Dec;70(6):703-6.
8. Kamioka H, Tsutani K, Yamada M, Park H, Okuizumi H, Tsuruoka K, Honda T, Okada S, Park SJ, Kitayuguchi J, et al. Effectiveness of music therapy: a summary of systematic reviews based on randomized controlled trials of music interventions. Patient Prefer Adherence. 2014;8:727–54.
9. Kühlmann AY, Etnel JR, Roos-Hesselink JW, Jeekel J, Bogers AJ, Takkenberg JJ. Systematic review and meta-analysis of music interventions in hypertension treatment: a quest for answers. BMC Cardiovasc Disord. 2016 Apr 19;16:69.
10. Maratos AS, Gold C, Wang X, Crawford MJ. Music therapy for depression. Cochrane Database Syst Rev. 2008;1:CD004517.
11. Ramasamy V.et al. MusMed: Balancing Blood Pressure Using Music Therapy and ARBs May 2017 - Advances in Intelligent Systems and Computing. In book: Computational Intelligence in Data Mining, pp.459-467.
12. Sumathy, S., Bhuvaneswari, R. and Anandraj, R. (2015). Effect of relaxing music on blood pressure and heart rate in hospitalized prehypertensive women in the third trimester of pregnancy: A randomized control study. Asian J. Pharm. Clin. Res., (8)5: 179-81.
13. Teng XF, Wong MY, Zhang YT. The effect of music on hypertensive patients. Conf Proc IEEE Eng Med Biol Soc. 2007;2007:4649-51.
14. Whelton PK, He J, Appel LJ, Cutler JA, Havas S, Kotchen TA, Roccella EJ, Stout R, Vallbona C, Winston MC, et al. Primary prevention of hypertension: clinical and public health advisory from The National High Blood Pressure Education Program. JAMA. 2002;288(15):1882–8.