Welche gesundheitlichen Wirkungen haben Flavonoide aus Obst und Gemüse?

Flavonoide verbessern die Gedächtnisleistung


Flavonoide sind eine Gruppe natürlicher Substanzen, die chemisch zur Klasse der Polyphenole gezählt werden. Flavonoide finden sich insbesondere in Früchten, Gemüsen, Tee und Wein. Jüngste wissenschaftliche Untersuchungen schreiben diesen pflanzlichen Wirkstoffen zahlreihe positive Wirkungen auf die Gesundheit zu.


Flavonoide sind verantwortlich für die Farbe und das Aroma von Pflanzen. Flavonoide schützen Pflanzen vor Frost oder Trockenheit und wirken als UV-Filter, sie haben zum Teil auch eine Funktion als Signalmoleküle für die Bestäubung.
Derzeit sind etwa 6000 Flavonoide bekannt, die u.a. zum farbigen Aussehen von Früchten, Kräutern, Gemüse und Heilpflanzen beitragen (Panche 2016).

Zahlreiche Studien konnten nachweisen, dass der Verzehr von Flavonoid-reichem Obst und Gemüse die kognitive Leistung verbessert und sich günstig auf chronische Krankheiten wie Bluthochdruck, Osteoporose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auswirkt. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass Flavonoide auch die psychische Gesundheit und das Wohlbefinden unterstützen können. In der aktuellen wissenschaftlichen Literatur werden die Wirkungen von Flavonoiden auf folgende Erkrankungen oder Körperfunktionen diskutiert.

• Kognitive Funktionen, u.a. Gedächtnisleistungen
• Prävention von Atemwegsinfektionen
• Herz-Kreislauf-Erkrankungen
• Bluthochdruck
• Depression
• Stimmung und Emotionen
• Krebserkrankungen
• Schlaganfall
• Osteoporose
• Erektile Dysfunktion


Kognitive Funktionen – Denken, Gedächtnis und Lernen

Die Ergebnisse epidemiologischer Studien legen die Vermutung nahe, dass der regelmäßige Verzehr von Flavonoiden aus Früchten einen günstigen Effekt auf die Gedächtnisleistung hat. Zahlreiche Untersuchungen der vergangenen Jahre weisen darauf hin, dass Blaubeersaft und Organgensaft, die beide einen hohen Gehalt an Flavonoiden aufweisen, in den üblicherweise konsumierten Mengen bereits positiv Effekte auf kognitive Funktionen haben.


Wirkung von Flavonoiden auf die Gedächtnisleistung bei Erwachsenen

Einzelgaben von Flavonoid-reichen Säften konnten die Aufmerksamkeit, das Arbeitsgedächtnis, die psychomotorische Verarbeitungsgeschwindigkeit und das visuell-räumliche Gedächtnis für 2 bis 6 Stunden nach der Aufnahme verbessern. Beispielsweise gelang der Nachweis, dass der Verzehr von Flavonoid-reichen Orangensaft bei gesunden Erwachsenen mittleren Alters die objektive und subjektive Gedächtnisleistung im Verlauf von 6 Stunden verbessern kann.
Auch eine langfristig erhöhte Zufuhr von Flavonoiden zeigte eine vergleichbar positive Wirkung auf kognitive Funktionen. Die zusätzliche Aufnahme von Flavonoiden für 2 bis 8 Wochen geht Studien zufolge mit einem verbesserten visuell-räumlichen Gedächtnis und einem verbesserten Langzeitgedächtnis einher. Die bisher vorliegenden Untersuchungen weisen auf eine dosisabhängige Wirkung von Flavonoiden hin (Bell 2015).


Wirkung von Flavonoiden aus Blaubeeren auf die Lernleistung von Schulkindern

In einer Placebo-kontrollierten Untersuchung wurden die Auswirkungen einer einmaligen Gabe eines Flavonoid-reichen Heidelbeergetränks auf das Gedächtnis bei 8- bis 10-jährigen Kindern untersucht.
Ergebnisse: Das Heidelbeergetränk bewirkte im Vergleich zu Placebo eine signifikante Verbesserung beim verzögerten Abrufen einer zuvor erlernten Wortliste und konnte damit erstmals die kurzfristige Wirkung von Flavonoiden auf die Gedächtnisleistung bei Kindern belegen (Whyte 2015).
Diese Befunde deuten darauf hin, dass Kinder im Schulalter nach Zufuhr eines Flavonoid-reichen Blaubeergetränks Gedächtnis-Inhalte effektiver speichern (Whyte 2015).

Eine weitere Untersuchung bestätigte diese Ergebnisse. Auch hier wurden kognitive Verbesserungen bei 7- bis 10-jährigen Kindern nach dem Konsum eines Blaubeergetränks mit hohem Flavonoidgehalt beschrieben. Signifikante Vorteile gegenüber dem Placebo-Getränk wurden 75 Min. und 3 Stunden nach Aufnahme des Blaubeergetränkes beobachtet, zudem wurde eine Dosis-Wirkungs-Beziehung beobachtet (Whyte 2016).


Wirkung von Flavonoiden auf die Gedächtnisleistung von Senioren

Eine höhere Zufuhr von Flavonoiden, insbesondere aus Beeren, scheint bei älteren Erwachsenen den kognitiven Abbau zu verlangsamen (Devore 2012).

Einige Interventionsstudien bei älteren Erwachsenen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen weisen darauf hin, dass die tägliche Zufuhr von Flavonoid-reichen Säften über einen Zeitraum von 12-16 Wochen der Gedächtnisfunktion zugute kommen kann.

Weitere Daten deuten darauf hin, dass auch der regelmäßige Verzehr von Obst, Gemüse und Säften für die Kognition bei gesunden älteren Erwachsenen von Vorteil ist (Lamport 2014).


Vorbeugung von Atemwegsinfektionen

Durch die Zufuhr ausgewählter Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt an Flavonoiden scheint es möglich, das Risiko für Infektionen der oberen Atemwege relevant zu verringern.

In einer Übersichtsarbeit wurden die Ergebnisse bisheriger Untersuchungen zur Wirksamkeit von Flavonoiden bei der Vorbeugung von Infektionen der oberen Atemwege analysiert (Somerville 2016). Die zusätzliche Flavonoid-Aufnahme in den eingeschlossenen Studien reichte von 200 mg bis 1.200 mg pro Tag.
Ergebnisse: Insgesamt verringerte die zusätzliche Flavonoid-Aufnahme die Infektionshäufigkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe um 33 %. Die Zahl der Krankheitstage wurde durch die Flavonoid-Zufuhr um 40 % verringert (Somerville 2016).


Wirkung von Flovonoiden auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen

In einer Metaanalyse von vierzehn prospektiven Kohortenstudien wurde geprüft, ob die Flavonoid-Aufnahme in einem Zusammenhang zum dem Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen steht.
Beim Vergleich der höchsten mit der niedrigsten Flavonoidzufuhr zeigte sich ein inverser Zusammenhang zum Risiko einer kardiovaskulären Erkrankung. Die relative Risikominderung lag je nach Flavonoid zwischen 10 und 13 %. Beispielsweise verminderte sich das Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung mit jeder 10 mg-Erhöhung der Flavonoidaufnahme um 5 %.

Zusammenfassend legen die Daten dieser Metaanalyse nahe, dass die langfristig hohe Zufuhr von Flavonoiden das Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen signifikant verringert (Wang 2014).

Das Ziel einer weiteren Metaanalyse war es, den Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Flavonoiden über die Ernährung und der Herz-Kreislauf-Mortalität zu bewerten. Im Vergleich zur geringsten Aufnahme war eine hohe Gesamt-Flavonoidzufuhr mit einem um 26 % verringerten Sterblichkeits-Risiko assoziiert. Ein Anstieg der Flavonoid-Zufuhr von 100 mg/Tag verringerte das Risiko für einen Todesfall jeglicher Ursache um 6 % und das Risiko an einer kardiovaskulären Erkrankung zu versterben um 4 % (Grosso 2017).

Die Ergebnisse dieser Metaanalyse zeigen, dass eine dauerhaft hohe Flavonoid-Zufuhr über die Ernährung mit einem verringerten Sterberisiko assoziiert ist.

Die meisten bislang durchgeführten Beobachtungsstudien haben das höchste Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Personen mit sehr niedriger Flavonoidaufnahme beobachtet.


Wirkung auf das Bluthochdruck-Risiko

Erste große Untersuchungen haben geprüft, ob es einen Zusammenhang zwischen der Flavonoidaufnahme und dem Risiko von Bluthochdruck gibt. Eine Studie an 40.574 gesunden französischen Frauen kam zu dem Ergebnis, dass eine hohe Flavonoidaufnahme mit einem um 9 bis 10 % verringerten Risiko verbunden war, zukünftig einen Bluthochdruck zu entwickeln (Lajous 2016).


Senken Flavonoide das Depressions-Risiko?

Epidemiologische Daten zeigen, dass eine überdurchschnittliche Aufnahme von Obst und Gemüse (und damit eine hohe Flavonoidzufuhr) mit einer geringeren Inzidenz von Depressionen im späteren Leben einhergeht.

Eine Analyse der Daten aus der Nurses’ Health Study (n = 82.643) mit einer Beobachtungsdauer von 10 Jahren kommt zu dem Ergebnis, dass die höhere Zufuhr verschiedener Flavonoide mit einem signifikant geringerem Depressionsrisiko assoziiert war. Für die Flavonoid-Klassen der Flavone und Proanthocyanidine konnte eine Verminderung des Depressionsrisikos um 17 % dokumentiert werden. Bei Teilnehmern, die mehr als 2 Portionen Zitrusfrüchte oder Säfte pro Tag konsumierten (verglichen mit weniger als einer Portion pro Woche) wurde ein um 18 % verringertes Risiko für eine Depression beobachtet.
Den Daten zufolge kann eine höhere Flavonoidaufnahme insbesondere bei älteren Frauen mit einem geringeren Depressionsrisiko einhergehen (Chang 2016).

Blaubeeren beeinflussen die Stimmung und die Emotionen
In einer randomisierten, Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie wurden die Auswirkungen des einmaligen Konsums eines Flavonoid-reichen Getränks aus Wildblaubeeren auf die Stimmung gesunder Kinder und junger Erwachsener untersucht. In beiden Studien wurde zwei Stunden nach dem Konsum des Flavonoid-reichen Blaubeergetränks eine Zunahme positiver Gefühlsäußerungen beobachtet. Das Flavonoid-Getränk hatte hingegen keinen Einfluss auf die negativen Emotionen.


Haben Flavonoide eine Wirkung auf Krebserkrankungen?

Die Datenlage zum Einfluss der Flavonoid-Aufnahme auf das Krebsrisiko ist widersprüchlich. Bisher wurde kein konsistenter Zusammenhang zwischen Flavonoidaufnahme und Krebsrisiko beobachtet. In einer kürzlich durchgeführten Metaanalyse konnte kein Zusammenhang zwischen der Flavonoidaufnahme und dem Risiko an Brustkrebs oder Magenkrebs zu erkranken dokumentiert werden. Ebenfalls kein Zusammenhang wurde beobachtet zwischen der Flavonoid-Zufuhr und dem Risiko an einem Pankreastumor zu erkranken (Molina-Montes 2016). Hingegen wurde einer positiver Zusammenhang für einen durch das Rauchen bedingten Lungenkrebs und der Flavonoidzufuhr beobachtet.
Ein Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Krebserkrankungen und der Flavonoidzufuhr wurde nur beim Vergleich von sehr niedrigen mit niedrigen Aufnahmemengen gefunden.


Schlaganfall

Eine hohe Flavonoidzufuhr hat einer großen Studie zufolge keinen positiven Einfluss auf das Risiko eines Schlaganfalls. Eine erhöhte Aufnahme von Flavanon (eine Untergruppe der Flavonoide) war jedoch mit einer Verringerung des Risikos eines ischämischen Schlaganfalls verbunden. Der Verzehr von Zitrusfrüchten (hoher Flavanongehalt) kann demnach mit einer Verringerung des Schlaganfallrisikos verbunden sein. Experimentelle Daten und epidemiologische Untersuchgen zeigen zudem, dass der Flavanongehalt von Zitrusfrüchten möglicherweise kardioprotektiv wirken kann (Cassidy 2012).
Wenige Jahre später konnte eine weitere Untersuchung diesen Zusammenhang bestätigen. Den Daten zufolge war die Flavanonaufnahme bei den untersuchten Personen umgekehrt proportional zum Risiko eines ischämischen Schlaganfalls (Risikoreduktion der höchsten Flavonoidaufnahme im Vergleich zur niedrigsten Aufnahme: -28 %). Eine hohe Zufuhr von Zitrusfrüchten und Säften war ebenfalls mit einer Risikominderung um 31 % verbunden (Goetz 2016). 

Fazit: Eine höhere Aufnahme von Flavanonen, jedoch nicht von Gesamt-Flavonoiden oder anderen Flavonoid-Subklassen, war mit einem verminderten Risiko für einen ischämischen Schlaganfall verbunden (Goetz 2016).

Osteoporose

In Beobachtungsstudien wurde das Trinken von Tee, einer wichtigen Quelle von Flavonoiden, mit einer höheren Knochendichte in Verbindung gebracht.
Zwei epidemiologische Studien an Frauen haben dementsprechend auch einen positiven Zusammenhang zwischen der Gesamtaufnahme von Flavonoiden und der Knochendichte beschrieben (Welch 2014).

In einer Untersuchung mit 1.188 Frauen über einen Zeitraum von 10 Jahren wurde die Wirkung der Flavonoidaufnahme auf das Frakturrisiko untersucht.
Im Vergleich zu Frauen im niedrigsten Tertil der Gesamt-Flavonoidaufnahme (aus Tee und anderen Lebensmitteln) hatten Frauen im höchsten Tertil ein um 35 % geringeres Risiko für osteoporotische Frakturen (Myers 2015). Der tägliche Teekonsum trug bei den meisten Frauen in dieser Studie ganz wesentlich zur Gesamt-Flavonoidaufnahme bei. Es war daher nicht überraschend, dass im Vergleich zum niedrigsten Teekonsum (1 Tasse pro Woche oder weniger) der Konsum von mehr als 3 Tassen pro Tag mit einem 30%igen Rückgang des Risikos einer osteoporotischen Fraktur assoziiert war.


Erektile Dysfunktion

Eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass eine höhere Aufnahme von Flavonoid-reichen Lebensmitteln mit einer verminderten Häufigkeit der erektilen Dysfunktion verbunden war (Cassidy 2016).


Durchschnittliche Zuvor von Flavonoiden über die Ernährung

Die durchschnittliche Flavonoid-Aufnahme aus Nahrungsmitteln in Deutschland lag zuletzt bei 181 mg pro Tag (Vogiatzoglou 2015).  Wobei zu beachten ist, dass 50 % der Bevölkerung weniger als 3 mg Flavonoide aufnehmen.

 

Zusammenfassung

Flavonoide sind eine Klasse von Polyphenolen (Mikronährstoffe), die natürlicherweise in Früchten, Gemüse, Tee, Kaffee und Kakao vorkommen. Der Verzehr von Flavonoiden wurde bei Personen aller Altersgruppen mit positiven gesundheitlichen Effekten in Verbindung gebracht. Es liegen überzeugende Daten vor, dass Flavonoide kurzfristig die Gedächtnisleistung verbessern. Eine regelmäßige hohe Flavonoidzufuhr in Form von Obst und Gemüse kann Studien zufolge das Risiko von Bluthochdruck und Osteoporose verringern. Auch erkranken Personen mit einer hohen Flavonoidaufnahme über die Ernährung seltener an einer Depression und an Infektionen der oberen Atemwege.

Weitere Beiträge zu Flavonoiden: 

  • Welche gesundheitlichen Wirkungen haben Flavonoide aus Obst und Gemüse?

  • Atemwegsinfektionen vorbeugen – wirken Flavonoide aus Obst und Gemüse? 
  • Welche Nahrungsmittel haben einen hohen Flavonoidgehalt? 
  • Welche Lebensmittel enthalten viel Quercetin (ein Flavonoid)? 
  • Gesundheitlichen Wirkungen von Blaubeeren
     

 

Literatur, Quellennachweis

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