Hintergrund
Als mögliche Ursache von Schmerzen am Bewegungsapparat, insbesondere von Rückenschmerzen werden immer wieder Fehlstellungen der Wirbelgelenke diskutiert. Die Chiropraktik gilt als eine alternativmedizinische Behandlungsmethode mit dem Ziel, die Beweglichkeit von Gelenken, besonders an der Wirbelsäule zu verbessern. Eine Subluxation, aber auch ein gestörtes Gelenkspiel können Ursachen von Beschwerden sein. Mit Hilfe manueller Techniken, wie Mobilisation und Manipulation sollten diese Fehlstellungen korrigiert werden.Die manuelle Therapie ist eine physiotherapeutische Behandlungsform (z.B. Mobilisation), die nach ärztlicher Diagnosestellung verordnet werden kann. Die von Ärzten ausgeführte Manipulation hingegen wird der manuellen Medizin zugordnet und greift auf Techniken mit Impuls zurück.
Wirksamkeit der Chiropraktik bei Rückenschmerzen
Die Wirksamkeit der Chiropraktik bei Rückenschmerzen wurde bereits im Jahr 2003 in einer ersten systematischen Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration bewertet. Untersucht wurde der Effekt der spinalen Manipulation. Im Ergebnis zeigten sich keine Vorteile gegenüber anderen Behandlungsmethoden, wie Physiotherapie, Krankengymnastik oder Rückenschule. Nach Einschätzung der Autoren, gäbe es aber Hinweise, dass die spinale Manipulation einer Placebo-Behandlung überlegen sei.Eine weitere Cochrane Übersichtsarbeit hatte im Jahre 2011 insgesamt 26 randomisiert kontrollierte Studien mit über 6000 Teilnehmern dahingehend analysiert, ob eine Manipulation an der Wirbelsäule (spinal manipulative Therapy) bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen zu einer relevanten Verminderung von Schmerzen und einer verbesserten Funktion führt.
Ergebnis: Diese Behandlungstechnik führt den Studien zufolge nur zu einer geringen, statistisch signifikanten, aber klinisch nicht relevanten kurzfristigen Schmerzlinderung und einer geringen Verbesserung des funktionellen Status. Demnach weist diese Behandlungsmethode keinen klinisch relevanten Vorteil gegenüber anderen Behandlungsoptionen auf (3).
Im Umkehrschluss können die Ergebnisse auch dahingehend interpretiert werden, dass keine der etablierten Behandlungsalternativen bei Rückenschmerzen bessere Ergebnisse erzielt als die Chiropraktik.
In einer aktuellen systematischen Übersichtsarbeit (Oktober 2015) wurde die Wirksamkeit der Chiropraktik auf unterschiedliche Erkrankungen bewertet (4).
In der Analyse wurden insgesamt 23 systematische Reviews zur Chiropraktik berücksichtigt, von denen 11 Artikel, die Einschlusskriterien erfüllten. Die Ergebnisse zeigten unter dem Einfluss der Chiropraktik eine Verbesserung von Nackenschmerzen, einen positiven Einfluss auf Schulter- und Nackentriggerpunkte sowie einen günstigen Effekt auf Sportverletzungen. In den Fällen von Asthma, Magen-Darm-Problemen, Fibromyalgie, Rückenschmerzen und Karpaltunnelsyndrom gab es keine schlüssigen wissenschaftlichen Beweise für eine positive Wirkung der Chiropraktik.
Kiefererkrankungen
In einer Übersichtsarbeit zur Wirksamkeit der Manuellen Medizin bei Kiefererkrankungen kommen die Autoren zu dem Schluss, dass sich Myofaszial Release (Tiefengewebe-Techniken zur Lösung von bindegewebigen Verhärtungen) und Massage-Techniken, angewendet im Bereich der Kaumuskulatur, als wirksamer erwiesen haben als eine Kontrollbehandlung. Auch Mobilisations- und Manipulationstechniken an der oberen Halswirbelsäule waren wirksamer als die jeweilige Kontrollbehandlung, während sich eine thorakal Manipulationen bei Kiefererkrankungen als nicht wirksam erwiesen hat (1).Halswirbelsäule – Nackenschmerzen
Im Vergleich zu einer inaktiven Kontrollgruppe vermindert die zervikale Manipulation (einmalige Manipulation), bei subakuten und chronischen Nackenschmerzen die Schmerzen unmittelbar nach der Anwendung, dieser Effekt blieb jedoch in der Nachbeobachtungphase nicht erhalten.Weitere Untersuchungen haben die zervikale Manipulation mit einer zervikalen Mobilisation bei Patienten mit akuten und chronischen Nackenschmerzen verglichen. Die Ergebnisse zweier Studien deuten darauf hin, dass es bei den Parametern Schmerzen, Funktion und Lebensqualität keine wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Behandlungstechniken gibt (2).
Im Vergleich zu einer medikamentösen Behandlung von akuten Nackenschmerzen war die wiederholte zervikale Manipulation wirksamer in Bezug auf die Verminderung von Schmerzen und der Verbesserung der Funktion. Dieses Ergebnis blieb auch über eine längere Nachbeobachtungsperiode erhalten.
Bei chronischen Kopfschmerzen, die auf Störungen an der Halswirbelsäule zurückgeführt werden konnten, waren mehrere Sitzungen einer zervikalen Manipulation wirksamer als Massagen in Hinblick auf die Verbesserung von Schmerz und Funktion. Auch im Vergleich zur transkutanen elektrischen Nervenstimulation (TENS) erwiesen sich mehrere Sitzungen einer zervikalen Manipulation als wirksamer in Bezug auf die Schmerzreduktion (2).
Weiteren Studien zufolge scheint die reine Mobilisation der Halswirbelsäule, also ohne Manipulation, bei subakuten und chronischen Nackenschmerzen nicht wirksamer zu sein als Ultraschall, TENS, Akupunktur oder Massage zur Verminderung von Schmerzen, einer Verbesserung der Funktion oder bei der Zunahme der Lebensqualität (2).
Brustwirbelsäule - Nackenschmerzen
Es liegen Hinweise vor, dass eine thorakale Manipulation im Vergleich zu Kontrollbehandlungen Nackenschmerzen reduziert, die Funktion verbessert und sich positiv auf die Lebensqualität auswirkt (2). Eine einzige Anwendung mit Manipulation der Brustwirbelsäule (BWS) zeigte vergleichbare Ergebnisse zu einer BWS-Mobilisation in Bezug auf die Schmerzlinderung bei chronischen Nackenschmerzen.Sportverletzungen
Bei der Prävention und Behandlung von Sportverletzungen hat sich gezeigt, dass Chiropraktik signifikant wirksamer ist als eine konventionelle Behandlung bei Muskelzerrungen, Hallux valgus und lateraler Epikondylitis (Tennisellenbogen) (4).Sicherheit und Verträglichkeit der Chiropraktik
Da es bei der zervikalen Manipulation zu seltenen, aber schwerwiegenden Komplikationen kommen kann, sind weitere Untersuchungen zum Vergleich von Manipulations- und Mobilisationstechniken mit anderen Behandlungsverfahren notwendig, um eine optimale Therapieentscheidung treffen zu können (2).Fazit
Zusammenfassend deuten Forschungsergebnisse darauf hin, dass Manipulations- und Mobilisationstechniken vergleichbar gute Ergebnisse in Bezug auf eine sofortige, sowie auf eine kurzzeitige- und mittelfristige Wirkung bei Nackenschmerzen zeigen. Eine wiederholte zervikale Mobilisation hat sich in Bezug auf die Schmerzabnahme und die funktionelle Verbesserung als wirksamer erwiesen als eine medikamentöse Therapie und das sowohl im mittel- als auch im langfristigen Vergleich.Bisherige Untersuchungen konnten bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen in Bezug auf eine Funktionsverbesserung und der Verminderung von Schmerzen keine klinisch relevanten Unterschiede zwischen der manuellen Medizin und der üblichen Standardtherapie feststellen (3).
Es finden sich in der Literatur Hinweise, dass eine Manipulations und/oder Mobilisations-Behandlung sich positiv auf Kiefergelenkerkrankungen und Sportverletzungen auswirken kann.
Literatur
1. Calixtre LB, Moreira RF, Franchini GH, Alburquerque-Sendín F, Oliveira AB. Manual therapy for the management of pain and limited range of motion in subjects with signs and symptoms of temporomandibular disorder: a systematic review of randomised controlled trials. J Oral Rehabil. 2015 Nov;42(11):847-61.2. Gross A, Langevin P, Burnie SJ, Bédard-Brochu MS, Empey B, Dugas E, Faber-Dobrescu M, Andres C, Graham N, Goldsmith CH, Brønfort G, Hoving JL, LeBlanc F. Manipulation and mobilisation for neck pain contrasted against an inactive control or another active treatment. Cochrane Database Syst Rev. 2015 Sep 23;9:CD004249.
3. Rubinstein SM, van Middelkoop M, Assendelft WJ, de Boer MR, van Tulder MW. Spinal manipulative therapy for chronic low-back pain. Cochrane Database Syst Rev. 2011 Feb 16;(2):CD008112.
4. Salehi A, Hashemi N1, Imanieh MH, Saber M. Chiropractic: Is it Efficient in Treatment of Diseases? Review of Systematic Reviews. Int J Community Based Nurs Midwifery. 2015 Oct;3(4):244-54.