Leucin verringert den Muskelverlust durch Ruhigstellung



Erhalt von Muskelkraft und Muskelmasse trotz Ruhigstellung – Stellenwert der essentiellen Aminosäure Leucin



Verletzungen führen typischerweise zu einem Aussetzen der körperlicher Aktivität oder sind zumindest mit einer Verringerung der sportlichen Aktivität verbunden. Schwere Verletzungen können zur Immobilisierung einer Extremität führen. Jüngste Untersuchungen deuten darauf hin, dass etwa die Hälfte der Verletzungen als so schwerwiegend anzusehen ist, das im Durchschnitt mehr als 3 Wochen Training verloren gehen.


Verlust an Muskelkraft und Muskelmasse durch Immobilisation

Ein signifikanter Muskelverlust ist bereits 5 Tage nach Immobilisation nachweisbar. Messungen am Muskel deuten darauf hin, dass Muskelgewebe bereits nach nur 36 Stunden Inaktivität verloren geht. Darüber hinaus beeinträchtigt die Immobilisierung die Sehnenstruktur und -funktion.
Typischerweise dauert das Wiedererlangen der vollen Funktion und die Rückkehr zum normalen Training länger als die Immobilisierungsphase (Tipton 2015).

Ernährungsmaßnahmen können erheblich Einfluss nehmen auf eine verletzungsbedingte Immobilisierung und Inaktivität. Die Ernährung kann dazu beitragen, dass ein Sportler schneller zur vollen Aktivität und zum Training zurückkehren kann.


Vollständige Entzündungshemmung bei Verletzungen nicht immer sinnvoll

Im Rahmen einer Verletzung wird in aller Regel eine Entzündungsreaktion ausgelöst. Während eine übermäßige Entzündung schädlich sein kann, ist eine angemessene Entzündungsreaktion sogar förderlich für die Wundheilung. Angesichts der Bedeutung des entzündlichen Prozesses für die Wundheilung ist der Versuch, zu Beginn einer Verletzung die Entzündung drastisch zu reduzieren, nicht ideal für eine optimale Erholung.


Körperliche Inaktivität – Energiezufuhr reduzieren, aber mit Augenmaß

Der Versuch, eine ausgeglichene Energiebilanz während der Verletzungsphase durch Hungern zu erreichen, kann sich kritisch auf den Heilungsprozess auswirken. Wenn die Reduktion der Energiezufuhr zu ausgeprägt ist, wird die Regeneration infolge negativer metabolischer Konsequenzen sicher verlangsamt. Bei einer negativen Energiebilanz wird die Wundheilung beeinträchtigt und der Muskelverlust verstärkt.
Die Muskelprotein-Synthese wird bereits bei einem moderaten Energiedefizit um etwa 20-30 % herunterreguliert. Die Folge kann ein beschleunigter Muskelabbau sein.


Die Proteinzufuhr ist entscheidend

In einer Studie konnte kürzlich gezeigt werden, dass bei Athleten, die eine relativ hohe Proteinzufuhr erhielten (etwa 2,3 g Protein / Tag / kg Körpergewicht), der Muskelverlust während einer Phase mit negativer Energiebilanz geringer ausfiel als bei Athleten mit normaler Proteinzufuhr (1,0 g / Tag / kg Körpergewicht). Es ist demnach wahrscheinlich, dass eine relativ hohe Proteinzufuhr, d.h. > 2,0 g Protein / Tag / kg Körpergewicht, notwendig ist, um Muskelverluste während einer Trainingspause bei gleichzeitig negativer Energiebilanz zu verhindern (Tipton 2015).

Neben der Gesamtzufuhr von Proteinen pro Tag müssen noch weitere Faktoren bei der Protein-Aufnahme berücksichtigt werden. Zum Beispiel ist die Menge der Proteinzufuhr pro Mahlzeit ein wichtiger Faktor. Im gesunden, aktiven Muskel sind etwa 20-25 g Protein (0,25-0,30 g / kg Körpergewicht) auf einmal eingenommen, die optimale Dosis, um die Muskel-Protein-Synthese sowohl in Ruhe als auch unter Muskeltraining maximal zu steigern. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass diese Menge an Protein beim immobilisierten Muskel höher liegt, da unter diesen Bedingungen eine relative anabole Resistenz vorliegt. Darüber hinaus wird die Muskel-Protein-Synthese über die gesamten 24 Stunden optimiert, wenn die Menge an Protein gleichmäßig über den Tag verteilt (zu jeder Mahlzeit) eingenommen wird.


Bedeutung der essentiellen Aminosäuren für den Muskelverlust

Der Umfang der Muskel-Protein-Synthese wird durch die Versorgung mit essentiellen Aminosäuren bestimmt, d.h. der Gehalt an nicht-essentiellen Aminosäuren ist für eine maximale Stimulation der Muskel-Protein-Synthese nicht relevant. Daher wird eine Supplementierung von essentiellen Aminosäuren zur Verminderung eines Muskelverlustes während der Inaktivität in Rahmen von Verletzungen empfohlen. Untersuchungen bestätigen, dass während einer längeren Bettruhe oder Gelenk-Immobilisierung die Supplementierung von essentiellen Aminosäuren den Verlust an Muskelmasse und Muskelkraft verringern (Tipton 2015).
Dreyer et al. konnten zeigen, dass 20 g essentielle Aminosäuren, zweimal täglich zwischen den Mahlzeiten eingenommen und zwar eine Woche vor und zwei Wochen nach einer Kniegelenk-Operation zu einer beschleunigten Erholung bei älteren Patienten beitrugen.
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Stellenwert der essentiellen Aminosäure Leucin

Der Erfolg einer Supplementierung von essentiellen Aminosäuren zur Verminderung eines Muskelverlustes während der Inaktivität kann sehr wahrscheinlich auf die verzweigtkettige Aminosäure Leucin zurückgeführt werden. Es ist seit langem bekannt, dass Leucin die Proteinsynthese im Tiermodell erhöht. Darüber hinaus deuten jüngste Erkenntnisse darauf hin, dass die Einnahme von Leucin die Muskel-Protein-Synthese auch bei gesunden Personen erhöht (Tipton 2015).

Weitere Untersuchungen belegen, dass Leucin nach Muskelverletzung die Muskelfaser-Größenzunahme und den Kraftzuwachs im sich regenerierenden Soleus-Muskel unterstützt. Den Autoren zufolge könnte Leucin positive therapeutische Effekte bei der Regeneration der Muskulatur nach Verletzungen und bei einzelnen Muskelerkrankungen aufweisen (Pereira 2014).

Eine Placebo-kontrollierte Untersuchung zur Anwendung von Leucin in der Rehabilitationsphase nach operativer Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes lieferte erste Hinweise, dass sich die Muskelparameter unter der Supplementation von Leucin im Vergleich zu Placebo vorteilhaft entwickeln (Laboute 2013). Möglicherweise lässt sich durch eine Leucin-Gabe die muskuläre Rehabilitation beschleunigen.

Regeneration von Muskelverletzungen im höheren Lebensalter

Alter vermindert die Fähigkeit der Muskulatur nach Verletzung zu regenerieren. Die verminderte Regenerationsfähigkeit der Skelettmuskulatur im höheren Alter geht mit einem gestörten Umsatz von Proteinen einher. In einer tierexperimentellen Studie wurde untersucht, ob eine Leucin-Supplementierung bei älteren Tieren die Fähigkeit zur Muskelregeneration verbessern kann. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine Leucin-Supplementierung durch die Aufrechterhaltung bestimmter biologischer Reaktionen die Regeneration der Skelettmuskulatur verbessern kann (Pereira 2015).

Bestätigt wurden diese Ergebnisse durch eine weitere tierexperimentelle Studie in der geprüft wurde, ob Muskelverletzungen durch eine Leucin-Gabe günstig zu beeinflussen sind. Die Ergebnisse waren eindeutig, der verletzte ältere Muskel profitierte durch eine verbesserte Proteinsynthese von der Leucin-Gabe (Perry 2016).
Darüber hinaus verbessert die Leucin-Zufuhr die Ausnutzung der aufgenommenen Aminosäuren für die Muskel-Protein-Synthese. In Situationen mit begrenzter Energie- und Proteinzufuhr, wie bei Verletzungen, könnte die Leucin-Zufuhr demnach eine wichtige Rolle spielen (Tipton 2015).

Die bisherigen Untersuchungen zusammenfassend, scheint sich im höheren Lebensalter im Muskel eine Resistenz gegenüber den aufbauenden Stoffwechselaktivitäten zu entwickeln, Leucin überwindet diese anabole Resistenz. Wichtige Voraussetzung für die Leucin-Wirkung ist jedoch eine ausreichende Versorgung mit essentiellen Aminosäuren.


Einfluss weiterer Ernährungsfaktoren auf den Muskelabbau

Kreatin

Eine Kreatin-Supplementierung ist weit verbreitet. Sie wird angewendet mit dem Ziel den Muskelzuwachs durch Krafttraining zu verbessern. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass die Kreatin-Supplementierung Störungen des Muskelstoffwechsels entgegenwirkt. Allerdings ist die Wirkung von Kreatin auf den Muskelverlust durch Immobilität weniger eindeutig. Beispielsweise verminderte eine Kreatin-Supplementation während zwei Wochen der Immobilisierung der unteren Extremitäten bei ansonsten gesunden Probanden nicht den Verlust von Muskelmasse oder -kraft. Auch konnte die Muskelkraft durch eine Kreatin-Supplementation nach einer Kniegelenks-Operation nicht verbessert werden. Auf der anderen Seite konnte die Muskelatrophie im immobilisierten Armmuskel durch eine Kreatin-Einnahme verringert werden. Es könnte demnach sein, dass Arm- und Beinmuskulatur unterschiedlich auf eine Kreatin-Supplementierung während der Immobilität reagieren (Tipton 2015).

Einen wichtigen Stellenwert erhält die Kreatin-Supplementation in der Rehabilitationsphase. Während der Rehabilitation nach Immobilität führte die Kreatin-Supplementierung im Vergleich zu Placebo zu einem stärkeren Muskelwachstum und Kraftzuwachs. Die bisherigen Ergebnisse zusammenfassend, scheint die Wirksamkeit der Kreatin-Gabe zur Unterstützung der Muskelhypertrophie ein konsistentes Ergebnis zu sein, wohingegen die Ergebnisse zur Verminderung einer Muskelatrophie weiterhin widersprüchlich sind.
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Omega-3-Fettsäuren

Bekannt ist die Eigenschaft von Omega-3-Fettsäuren, das Entzündungsgeschehen positiv zu beeinflussen. Unabhängig davon besitzen Omega-3-Fettsäuren die potentielle Eigenschaft die negativen Auswirkungen von Immobilisation bei Verletzung zu begrenzen. In einem Rattenmodell zeigte sich nach Fütterung von Fischöl während der Immobilisierung ein geringerer Muskelverlust als bei den Tieren mit normaler Ernährung.
Beim Menschen verbesserte eine 8-wöchige Fischöl-Supplementierung die Muskel-Protein-Synthese. Die Wirksamkeit von Fischöl in diesem Zusammenhang wird auf eine Veränderung in der Muskelmembran-Lipidzusammensetzung mit Auswirkung auf die intrazelluläre anabole Signalkaskade zurückgeführt.
Diese vorläufigen Befunde deuten darauf hin, dass auch die Fischöl-Supplementierung eine Rolle bei der Verminderung des Muskelverlustes infolge von Inaktivität spielen könnte (Tipton 2015).


Fazit

Bei schweren Verletzungen, die es notwendig machen die Extremität zu immobilisieren, sind ein Verlust an Muskelmasse und eine Verringerung von Muskelkraft und -Funktion die Folgen. Eine höhere Proteinzufuhr (2-2,5 g / kg / Tag) scheint bei der Immobilisierung gerechtfertigt zu sein. Notwendig ist eine ausreichende Zufuhr essentieller Aminosäuren.
Möglicherweise lässt sich durch eine Leucin-Gabe die muskuläre Rehabilitation nach einer Verletzung beschleunigen.
Im höheren Lebensalter scheint sich im Muskel eine Resistenz gegenüber aufbauenden (anabolen) Stoffwechselaktivitäten zu entwickeln. Zahlreiche Studiendaten lassen darauf schließen, dass die essentielle Aminosäure Leucin diese anabole Resistenz überwinden kann. Verletzungen im höheren Lebensalter profitieren demnach besonders von einer Leucin-Supplementation.

Weitere Information zur Wirkung von Leucin: 


  • Leucin – eine essentielle Aminosäure mit besonderer Wirkung auf den Muskelstoffwechsel
  • Muskelschwund im Alter - Kann eine ausreichende Zufuhr an essentiellen Aminosäuren den Muskelabbau bei älteren Menschen vermindern? 



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Literatur / Quellennachweis


Dreyer HC, Strycker LA, Senesac HA, et al. Essential amino acid supplementation in patients following total knee arthroplasty. J Clin Invest. 2013;123:4654–4666.

Laboute E, France J, Trouve P, Puig PL, Boireau M, Blanchard A. Rehabilitation and leucine supplementation as possible contributors to an athlete's muscle strength in the reathletization phase following anterior cruciate ligament surgery. Ann Phys Rehabil Med. 2013 Mar;56(2):102-12. 

Pereira MG, Baptista IL, Carlassara EO, Moriscot AS, Aoki MS, Miyabara EH. Leucine supplementation improves skeletal muscle regeneration after cryolesion in rats. PLoS One. 2014 Jan 8;9(1):e85283. 

Pereira MG, Silva MT, da Cunha FM, Moriscot AS, Aoki MS, Miyabara EH. Leucine supplementation improves regeneration of skeletal muscles from old rats. Exp Gerontol. 2015 Dec;72:269-77. 

Perry RA Jr, Brown LA, Lee DE, Brown JL, Baum JI, Greene NP, Washington TA. Differential effects of leucine supplementation in young and aged mice at the onset of skeletal muscle regeneration. Mech Ageing Dev. 2016 Jul;157:7-16. 

Tipton KD. Nutritional Support for Exercise-Induced Injuries. Sports Med. 2015 Nov;45 Suppl 1:S93-104.