Wie wirksam sind Mistelpräparate bei Krebs?
Fragen, die in diesem Beitrag beantwortet
werden:
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Welche Wirkungen hat die Misteltherapie bei
Krebs?
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Bei welchen Krebserkrankungen wurde eine
Behandlung mit Mistelextrakt
untersucht? |
Welche Nebenwirkungen hat eine
Misteltherapie?
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Gibt es Wechselwirkungen zwischen
Mistelextrakt und der konventionellen
Chemotherapie? |
Verbessert Mistelextrakt die Verträglichkeit
der Chemotherapie?
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Kann eine Behandlung mit Mistelpräparaten
die Überlebenszeit bei
Krebserkrankungen verlängern? |
Hintergrund
Alternative Behandlungsansätze, wie sie die Komplementärmedizin bietet, haben in der Krebsbehandlung in Deutschland einen hohen Stellenwert. Studien zufolge kommt bei 15 bis 73 Prozent aller Krebspatienten zusätzlich zur konventionellen onkologischen Therapie eine komplementäre Behandlung zur Anwendung (13). Bei der Mehrzahl dieser komplementären Behandlungen werden pflanzliche Wirkstoffe eingesetzt.
Mistel (Viscum)
Die Mistel zählt zur Gattung Viscum. Verschiedene Mistelarten werden in der Familie der Mistelgewächse (Viscaceae) zusammengefasst. Misteln sind immergrüne oder sommergrüne Pflanzen, die (als Halbschmarotzer) auf Bäumen und Sträuchern wachsen. Einige Mistelarten beziehen neben Wasser auch ihre Nährstoffe überwiegend vom Wirt.
Anwendungsgebiet
Mistelpräparate werden ergänzend zur konventionellen Krebstherapie eingesetzt. Sie werden der Komplementärmedizin zugerechnet. Mistelpräparate werden angewandt, um die Lebensqualität von Krebspatienten und die Verträglichkeit der konventionellen Tumortherapie zu verbessern.
Mistelextrakt ist beispielsweise als Arzneimittel zur unterstützenden Behandlung vor und während einer Chemotherapie bei Brustkrebs zugelassen (5). Eine Erstattung der Kosten durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) erfolgt nur, wenn Mistelextrakt zur palliativen Krebstherapie eingesetzt wird (d.h. bei einer in der Regel metastasierten und nicht-operablen Tumorerkrankung). Wird Mistelextrakt zur adjuvanten (unterstützenden) Behandlung angewendet, erfolgt keine Erstattung durch die GKV.
Auch Press-Saft aus Mistelkraut wird als anthroposophisches Arzneimittel zur Behandlung von Tumorerkrankungen angewendet (4). Dabei wird der Press-Saft in verschiedenen Verdünnungen/Stärken als subcutane Injektion unter der Haut in Tumornähe appliziert. Es werden mehrere Anwendungen pro Woche empfohlen. Die gesamte Anwendungsdauer kann mehrere Jahre umfassen (4).
Der Wirkstoff aus Viscum album wird darüber hinaus als homöopathisches Arzneimittel zur Behandlung von Erkrankungen des Bewegungsapparates, z.B. bei Arthrose angewendet (6).
Wirkmechanismus
Als wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe des Mistelextrakts werden Mistellektine angesehen. Klinische Daten deuten darauf hin, dass Mistellektine das Immunsystem von Krebspatienten stimulieren können. Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass es unter der Mistelbehandlung zu einem Anstieg der Zahl der T-Helfer-Lymphozyten (CD4+) kommt. In tierexperimentellen Untersuchungen konnten für Mistellektine anti-tumorale und antineoplastische Wirkungen dokumentiert werden. Bei Mäusen fanden sich Hinweise für ein verzögertes Tumorwachstum unter einer Mistelgabe. Eine lebensverlängernde oder krebsaufschiebende Wirkung konnte für Mistelextrakt am Menschen nicht nachgewiesen werden. Auch unter hohen Dosierungen von Mistellektinen wurde keine Immunsuppression beobachtet (9).
Dosierung
Lektinol®: Für die subcutane Applikationsform von Mistelextrakt (Injektion z.B. unter die Bauchhaut) werden zwei Anwendungen pro Woche über einen Zeitraum von mindestens 3 Monaten empfohlen (5).
AbnobaViscum®: Subcutane Injektion, beginnend mit 1 ml dreimal wöchentlich
Iscador®: Subcutane Injektion, 2- bis 3-mal wöchentlich 1 ml
Studien zur Wirksamkeit
Zahlreiche kontrollierte Studien belegen eine verbesserte Lebensqualität von Patienten, die ergänzend zur Chemotherapie Mistelpräparate erhalten hatten (10). Den Ergebnissen zufolge kann es zu einer Besserung des Allgemeinzustandes, der Stimmungslage und des Appetits kommen.
In einer Studie an 95 Patientinnen mit der Diagnose Brustkrebs wurde geprüft, ob eine unterstützende Therapie mit Mistelextrakt zur Injektion (Iscador® M) die Rezidivhäufigkeit oder das Auftreten von Metastasen des Mammakarzinoms über einen Zeitraum von 5 Jahren beeinflusst. Die Patientinnen erhielten entweder nur eine konventionelle Chemotherapie aus Cyclophosphamid, Anthracyclin und 5-Fluoro-Uracil oder zusätzlich Mistelextrakt. Ergebnisse: Am Ende des Beobachtungszeitraums wurde kein signifikanter Unterschied zwischen der Mistelextrakt- und der Kontrollgruppe in Bezug auf die tumorfreie Überlebensrate beobachtet. Auch die Tumor-Rezidivrate und die Häufigkeit von Metastasen unterschieden sich nicht statistisch signifikant zwischen den Gruppen (16).
In mehreren vorausgehenden Studien konnte der Nachweis erbracht werden, dass eine begleitende Misteltherapie die Nebenwirkungsrate der konventionellen Chemotherapie, insbesondere die Häufigkeit einer Neutropenie, reduzieren kann (12, 15).
Eine Metaanalyse zum Einfluss von Mistelextrakt auf die Lebensqualität von Patientinnen mit Brustkrebs kam basierend auf den bis 2008 publizierten Studiendaten zu dem Ergebnis, dass es erste Hinweise auf eine positive Wirkung von Mistelextrakt als Ergänzung zur konventionellen Chemotherapie gibt (7). Eine aktuelle Übersichtsarbeit zum Mistelpräparat Iscador® weist auf die geringe Zahl methodisch hochwertiger kontrollierter Studien hin, kommt aber zu dem Ergebnis, dass ein mäßig positiver Effekt auf die Lebensqualität angenommen werden kann (2).
Eine neuere Untersuchung an Patienten mit Magenkrebs bestätigt die Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands unter der begleitenden Misteltherapie (11). In dieser Pilotstudie wurden insgesamt 32 Patienten entweder konventionell oder zusätzlich mit AbnobaViscum® für 24 Wochen behandelt. Im Ergebnis zeigte sich eine signifikant verbesserte Lebensqualität im Vergleich zur Kontrollgruppe. In der Nebenwirkungshäufigkeit unterschieden sich beide Gruppen nur in der geringeren Häufigkeit von Durchfall in der Mistelgruppe. Bei den Laborparametern war eine signifikant höhere Zahl an Leukozyten und Eosinophilen unter der Mistel-Behandlung zu verzeichnen (11).
In einer kürzlich veröffentlichten Studie wurde die Wirksamkeit des Mistelpräparates Iscador® als unterstützende Maßnahme bei Patienten mit Lungenkarzinom geprüft (1). Ziel der Untersuchung war es, den Einfluss von Mistel auf die Nebenwirkungsrate der Chemotherapie und die Lebensqualität zu bewerten. Insgesamt 72 Patienten erhielten entweder die Standard-Chemotherapie mit Carboplatin und Gemcitabin oder zusätzlich dreimal wöchentlich Iscador®. Im Ergebnis zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Zeit bis zur Tumor-Progression zwischen den beiden Behandlungen. Auch in Bezug auf die Nebenwirkungshäufigkeit und die Lebensqualität konnten keine signifikanten Unterschiede beobachtet werden. Allerdings mussten die Patienten der Mistelgruppe seltener im Krankenhaus behandelt werden und auch schwere nicht-hämatologische Nebenwirkungen traten weniger häufig auf (1).
Bisher fehlt ein eindeutiger Nachweis, dass die begleitende Therapie mit Mistelextrakt die Lebenszeit von Krebspatienten verlängern kann. In einer kürzlich erschienenen Metaanalyse wurden daher die Ergebnisse einer Vielzahl an kleineren Studien zusammengefasst. Aber auch diese Analyse erbrachte keine klaren Ergebnisse: In ihrem Fazit bescheinigen die Autoren der Misteltherapie zwar einen geringen Vorteil in Bezug auf die Überlebenszeit, weisen aber auf die methodischen Schwächen der zugrunde liegenden Studien hin (14).
Verträglichkeit
Unter der subcutanten Applikation von Mistelextrakt kann es selten zu Schüttelfrost, Fieber oder Kopfschmerzen kommen. Auch allergische Reaktionen können auftreten (5).
In einer kontrollierten Untersuchung an gesunden Probanden konnte die Sicherheit und Verträglichkeit unterschiedlicher Dosierungen des Mistelpräparates Iscucin® bestätigt werden (8). Für das Präparat AbnobaViscum® wurde eine Untersuchung auf mögliche Wechselwirkung mit anderen Arzneimitteln, die über das Cytochrom-P450-System der Leber verstoffwechselt werden, durchgeführt. Im Ergebnis zeigte sich kein oder nur ein sehr geringes Potenzial von AbnobaViscum® für mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln (3).
Fazit
Die bisher veröffentlichten Studiendaten zusammenfassend, kann eine die Chemotherapie begleitende Mistel-Behandlung sich positiv auf die Lebensqualität von Krebspatienten auswirken. Weiterhin sprechen die Daten dafür, dass sich in Einzelfällen die Verträglichkeit einer konventionellen Chemotherapie durch die zusätzliche Gabe von Mistelextrakt günstig beeinflussen lässt. Es ist hingegen unwahrscheinlich, dass eine Misteltherapie die Progression einer Krebserkrankung, die Metastasierung oder die Überlebenszeit relevant beeinflusst.
Literatur
1. Bar-Sela G, Wollner M, Hammer L, Agbarya A, Dudnik E, Haim N. Mistletoe as complementary treatment in patients with advanced non-small-cell lung cancer treated with carboplatin-based combinations: a randomised phase II study. Eur J Cancer. 2013 Mar;49(5):1058-64.
2. Büssing A, Raak C, Ostermann T. Quality of life and related dimensions in cancer patients treated with mistletoe extract (iscador): a meta-analysis. Evid Based Complement Alternat Med. 2012;2012:219402.
3. Doehmer J, Eisenbraun J. Assessment of extracts from mistletoe (Viscum album) for herb-drug interaction by inhibition and induction of cytochrome P450 activities. Phytother Res. 2012 Jan;26(1):1-7.
4. Fachinformation AbnobaViscum, Stand August 2007
5. Fachinformation Lektinol, Stand Oktober 2012
6. Fachinformation Plenosol Madaus, Stand September 2005
7. Horneber MA, Bueschel G, Huber R, Linde K, Rostock M: Mistletoe therapy in oncology. Cochrane Database Syst Rev. Cochrane Database 2008, 16(2): CD003297. Apr.
8. Huber R, Lüdtke H, Wieber J, Beckmann C. Safety and effects of two mistletoe preparations on production of Interleukin-6 and other immune parameters - a placebo controlled clinical trial in healthy subjects. BMC Complement Altern Med. 2011 Nov 24;11:116.
9. Kienle GS, Grugel R, Kiene H. Safety of higher dosages of Viscum album L. in animals and humans--systematic review of immune changes and safety parameters. BMC Complement Altern Med. 2011 Aug 28;11:72.
10. Kienle GS, Kiene H: Review article: Influence of Viscum album L (European mistletoe) extracts on quality of life in cancer patients: a systematic review of controlled clinical studies. Integr Cancer Ther 2010, 9(2):142–157.
11. Kim KC, Yook JH, Eisenbraun J, Kim BS, Huber R. Quality of life, immunomodulation and safety of adjuvant mistletoe treatment in patients with gastric carcinoma - a randomized, controlled pilot study. BMC Complement Altern Med. 2012 Oct 3;12:172.
12. Loewe-Mesch A, Kuehn JH, Borho K, et al. Adjuvante simultane Mistel-/Chemotherapie bei Mammakarzinom—Einfluss auf Immunparameter, Lebensqualität und Verträglichkeit. Forschende Komplementärmedizin. 2008;15(1):22–30.
13. Molassiotis A, Fernandez-Ortega P, Pud D, et al. Use of complementary and alternative medicine in cancer patients: a European survey. Ann Oncol 2005, 16:655-663.
14. Ostermann T, Büssing A. Retrolective studies on the survival of cancer patients treated with mistletoe extracts: a meta-analysis. Explore (NY) 2012 Sep;8(5):277-81.
15. Tröger W, Jezdic S, Zdrale Z, Tisma N, Hamre HJ, Mattijasevic M. Quality of life and neutropenia in patients with early stage breast cancer: a randomized pilot study comparing additional treatment with mistletoe extract to chemotherapy alone. Breast Cancer: (Auckl). 2009;3:35–45.
16. Tröger W, Zdrale Z, Stanković N, Matijašević M. Five-year follow-up of patients with early stage breast cancer after a randomized study comparing additional treatment with viscum album (L.) extract to chemotherapy alone. Breast Cancer (Auckl). 2012;6:173-80.