Muskelkrämpfe, Beinkrämpfe, nächtliche Wadenkrämpfe – Gibt es wirksame Behandlungsmöglichkeiten?


Ist Magnesium bei der Behandlung von nächtlichen Wadenkrämpfen wirksam?

Gibt es eine wirksame Therapie von Muskelkrämpfen?


Nächtliche Muskelkrämpfe in den Beinen, insbesondere Wadenkrämpfe, sind häufig und können starke Schmerzen und Schlafstörungen verursachen. Wiederholt auftretende Muskelkrämpfe ohne offensichtliche Ursache werden von Ärzten häufig bei sportlich aktiven Personen, aber auch ohne Verbindung zum Sport oder im Rahmen der Schwangerschaft behandelt.


Wadenkrämpfe

Wadenkrämpfe sind schmerzhaft und setzen einen komplett außer Gefecht, sie dauern durchschnittlich neun Minuten pro Episode. Dem akuten Krampf können über Stunden weitere Krämpfe und Restschmerzen folgen. Wadenkrämpfe treten in der Regel gehäuft nachts auf und sind dann mit Schlafstörungen assoziiert. Bis zu 20 Prozent der Patienten, die Erfahrung mit Wadenkrämpfen haben, berichten über tägliche Symptome, die sie soweit beeinträchtigen, dass sie deshalb einen Arzt aufsuchen.


Ursache von Muskelkrämpfen

Untersuchungen an Sportlern zeigen, dass eine Muskelermüdung die Hauptursache für Beinkrämpfe darstellt. Studien an Ausdauersportlern zeigen, dass insbesndere eine höhere als die normale Trainingsintensität zu Beinkrämpfen führen kann. Der dahinter stehende Mechanismus bleibt unklar (1).

Weder bewegungsabhängige noch nächtliche Krämpfe sind durch eine Hypovolämie (durch Flüssigkeitsmangel) oder durch Störungen der Elektrolyte wie Kalium, Natrium oder Magnesium verursacht. Eine Studie an Patienten mit nicht-alkoholischer Leberzirrhose konnte nachweisen, dass die Krämpfe nicht auf Veränderungen der Konzentrationen von Kreatinin, Calcium, Magnesium, Natrium, Kalium, Zink, Glucose, Alanin-Transaminase, Gesamt-Bilirubin oder Albumin zurückzuführen sind (1).


Muskelkrämpfe als Nebenwirkung von Medikamenten

Muskelkrämpfe werden bei hunderten von Medikamenten als Nebenwirkung beschrieben, aber nur bei wenigen kommt es spezifisch zu Krämpfen in den Beinen (1). Medikamentenbedingte Wadenkrämpfe werden am häufigsten unter intravenöser Eisen-Saccharose-Gabe, unter konjugierten Östrogenen, Raloxifen (Evista), Naproxen (Dolormin) und Teriparatid (Forteo) beobachtet. Wobei diese Nebenwirkung insgesamt eher selten auftritt. In Studien wurde über Wadenkrämpfe auch unter Medikamenten wie Clonazepam (Rivotril), Citalopram (Cipramil), Celecoxib (Celebrex), Gabapentin (Neurontin) und Zolpidem (Zoldem) berichtet, die zum Teil sogar verwendet werden, um Krämpfe zu behandeln.


Andere Erkrankungen, die mit Muskelkrämpfen einhergehen

Bei mehreren Erkrankungen kann es sekundär zu Beinkrämpfen kommen. Eine Studie an älteren Personen konnnte Wadenkrämpfe bei 75 Prozent der Personen mit peripherer Gefäßerkrankung, bei 63 Prozent der Personen mit Hypokaliämie, und bei 62 Prozent der Patienten mit koronarer Herzkrankheit dokumentieren. Etwa 60 Prozent der Patienten mit Leberzirrhose berichten über Beinkrämpfe, die Mehrzahl von ihnen sind ältere Patienten mit fortgeschrittener Erkrankung. Darüber hinaus werden Beinkrämpfe häufiger bei neurologischen Erkrankungen wie Parkinson und periphere Neuropathie beobachtet.

Erkrankungen, gesundheitliche Störungen oder Therapieformen, die mit einer erhöhten Prävalenz von Krämpfen in den Beinen verbunden sind (1):

• Krebsbehandlung
• kardiovaskuläre Erkrankungen
• Leberzirrhose
• schwere Niereninsuffizienz und Hämodialyse
• Lumbale Spinalkanalstenose
• neurologische Defizite
• Arthrose
• periphere Neuropathie
• Periphere arterielle Verschlusskrankheit
• Schwangerschaft
• Veneninsuffizienz

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Diagnose

Routine-Bluttests sind nicht hilfreich bei der Diagnose, da für Wadenkrämpfe kein Zusammenhang zu Elektrolyt-Störungen beschrieben ist (1). Auch eine Anämie, Veränderungen im Blutzuckerspiegel, eine Fehlfunktion der Schilddrüse oder Nierenerkrankungen gehen nicht mit einer verstärkten Krampfneigung einher.


Behandlung von Muskelkrämpfen

Magnesium

Magnesium-Präparate werden zur Vorbeugung und Behandlung von Krämpfen beworben, ohne dass die Wirksamkeit von Magnesium für diese Indikation in kontrollierten Studien überzeugend belegt ist.


Ergebnisse von Metaanalysen zur Wirksamkeit von Magnesium bei Muskelkrämpfen

Ziel einer ersten Metaanalyse aus dem Jahr 2012 war es, die Auswirkungen einer Magnesiumgabe im Vergleich zu Placebo oder anderen Behandlungsoptionen bei Patienten mit Skelettmuskelkrämpfen zu bewerten (3).


Ergebnisse

Insgesamt wurden sieben Studien (davon zwei Crossover-Studien) mit zusammen 406 Probanden bzw. Patienten in diese Analyse eingeschlossen. In drei Studien wurde Magnesium bei Frauen im Zusammenhang mit Schwangerschafts-assoziierten Wadenkrämpfe (N = 202) und in vier Studien bei idiopathischen Muskelkrämpfen untersucht (N = 322). Bei idiopathischen Krämpfen (größtenteils ältere Erwachsene, die vermutlich nächtliche Wadenkrämpfe hatten) zeigte sich im Vergleich zu Placebo nur eine geringe, nicht signifikante Abnahme der Häufigkeit von Muskelkrämpfen nach vier Wochen Behandlung. Auch der Anteil der Betroffenen, bei denen eine mindestens 25-prozentige Reduzierung der Krampfhäufigkeit dokumentiert werden konnte, lag in der Magnesiumgruppe nur um 8 Prozent höher als unter der Placebo-Gabe. In ähnlicher Weise wurde auch bei der Krampfintensität oder Krampfdauer kein statistisch signifikanter Unterschied nach vier Wochen Behandlung gesehen (3).

In einer weiteren Metaanalyse aus dem Jahr 2014 wurden die Wirksamkeit und das Nebenwirkungsprofil von Magnesium bei der Behandlung von nächtlichen Wadenkrämpfen im Vergleich zu Placebo untersucht (5).

Sieben randormisiert kontrollierte Studien mit zusammen 361 wurden in diese Analyse eingeschlossen. In allen Studien wurde die Magnesiumgabe mit Placebo verglichen
In drei dieser Studien wurden schwangere Frauen mit Wadenkrämpfen eingeschlossen.

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Ergebnisse

Der Unterschied in der medianen Anzahl von Wadenkrämpfen pro Woche zwischen der Placebo- und den Magnesiumgruppen lag nur bei 0,345 (Quantil 2,5%: -0,133, Quantil 97,5%: 0,875). Das heißt, dass im Durchschnitt unter der Magnesium-Behandlung die Zahl der Muskelkrämpfe um weniger als einen Krampf pro Woche stärker vermindert werden konnte als unter der Einnahme eines Scheinmedikamentes. In den Studien bei Schwangeren lag dieser Unterschied bei 0,807 (2,5% Quantil: 0.015, 97,5% -Quantil: 1.207) und damit etwas günstiger (5).

Mit der folgenden Studie soll beispielhaft eine typische Placebo-kontrollierte Studie zur Wirkung von Magnesium bei Muskelkrämpfen in den Beinen vorgestellt werden. In dieser Crossover-Untersuchung erhielten 68 Personen mit mindestens 2 Muskelkrämpfen pro Woche in den vorangegangenen 3 Monaten über einen Zeitraum von 4 Wochen täglich Magnsiumcitrat (entsprechend 300 mg Magnesium) oder Placebo.
Ergebnisse: Sowohl unter der Magnesiumgabe als auch unter Placebo kam es nach 4 Wochen zu einer signifikanten Abnahme der Muskelkrämpfe. Zwischen den Behandlungen konnte kein signifikanter Unterschied in der Wirksamkeit nachgewiesen werden (4).

Verträglichkeit: Magen-Darm-Nebenwirkungen waren insgesamt etwas häufiger unter der Magnesiumtherapie als unter Placebo.


Fazit

Der Analyse zufolge scheint die Magnesiumtherapie bei der Behandlung von nächtilichen Wadenkrämpfen nicht wirksam zu sein (5).
Es ist unwahrscheinlich, dass durch eine Magnesium-Supplementierung eine klinisch bedeutsame Krampf-Prophylaxe bei älteren Erwachsenen mit Muskelkrämpfen erreicht werden kann (3).
Hingegen konnte bei schwangeren Frauen eine geringe Wirkung von Magnesium auf die Häufigkeit von nächtlichen Muskelkrämpfen dokumentiert werden.
Bisher wurden keine randomisierten kontrollierten Studien zur Magnesiumgabe bei Sport-bedingten Muskelkrämpfen publiziert.


Weitere Behandlungsoptionen

Keine der derzeitigen Behandlungsoptionen für Krämpfe in den Beinen hat sich als wirksam und sicher erwiesen. Passives Stretching, Bewegungsübungen und eine Tiefenmassage sind wahrscheinlich hilfreich, ihre Wirkamkeit konnte jedoch bisher nicht in Studien belegt werden (1, 2).

Kleinere Studien konnten einen Nutzen für einzelne Medikamente nachweisen. Wegen der geringen Qualität der Studien kann keines dieser Medikamente für die Routinebehandlung von Krämpfen in den Beinen empfohlen werden. Für einzelne Patienten können die nachfolgenden Wirkstoffe von Vorteil sein: Carisoprodol, Diltiazem, Gabapentin, Orphenadrin, Verapamil und Vitamin B12. Multivitamine und eine Natrium-Supplementierung haben einen gewissen Nutzen bei Krämpfen in der Schwangerschaft gezeigt, obwohl das potentielle Risiko von Bluthochdruck infolge der Natrium-Supplementierung berücksichtigt werden sollte. Für die rountinemäßige Anwendung von Nicht-steroidalen Entzündungshemmern (NSAR), Kalium oder Calcium gibt es keine ausreichenden Belege zur Wirksamkeit (1, 2, 6).

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Zusammenfassung

Bis zu 60 Prozent der Erwachsenen berichten über Phasen von nächtlichen Krämpfen in den Beinen. Diese wiederkehrenden, schmerzhaften Krämpfe treten in der Regel in der Wadenmuskulatur auf und können Schlaflstörungen verursachen. Der genaue Mechanismus ist unbekannt, aber diese nächtlichenKrämpfe sind wahrscheinlich eher durch Muskelermüdung und Nervenfunktionsstörungen als durch Elektrolytstörungen oder andere Anomalien verursacht. Häufig werden Krämpfe als Begleiterscheiung bei anderen Erkankung beobachtet.
Nächtliche Wadenkrämpfe treten regelmäßig in Zusammenhang mit Gefäßerkrankungen, einer lumbalen Spinalkanalstenose, einer Leberzirrhose oder infolge einer Hämodialyse-Behandlung auf. Auch im Rahmen der Schwangerschaft kommt es häufiger zu nächtlichen Krämpfen.
Zu den Medikamenten, die als Nebenwirkung Wadenkrämpfe verursachen können, zählen intravenöses Eisen (als Eisen-Saccharose), konjugierte Östrogene, Raloxifen, Naproxen und Teriparatid. Die Anamnese und eine körperliche Untersuchung sind in der Regel ausreichend, um nächtliche Wadenkrämpfe von anderen Erkrankungen, wie Restless-Legs-Syndrom, Claudicatio, Myositis und periphere Neuropathie zu differenzieren. Laboruntersuchungen und andere spezialisierte Tests sind in der Regel nicht notwendig, um die Diagnose zu bestätigen.
Wenig überzeugend ist die Datenlage zur Behandlung von nächtlichen Wadenkrämpfe mit Bewegungsübungen und Stretching (Dehnung), auch die Behandlung mit Magnesium oder mit Medikamenten wie, Kalzium-Kanal-Blocker, Carisoprodol oder Vitamin B12 hat sich in Studien als nicht überzeugend wirksam erwiesen. Chinin wird nicht mehr zur Behandlung von Muskelkrämpfen empfohlen.


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Weitere Beiträge zur Wirkung von Spurenelementen und Mineralstoffen:

 

Literatur / Quellenangaben

1. Allen RE, Kirby KA. Nocturnal leg cramps. Am Fam Physician. 2012 Aug 15;86(4):350-5. Review.
2. Blyton F, Chuter V, Walter KE, Burns J. Non-drug therapies for lower limb muscle cramps. Cochrane Database Syst Rev. 2012 Jan 18;1:CD008496.
3. Garrison SR, Allan GM, Sekhon RK, Musini VM, Khan KM. Magnesium for skeletal muscle cramps. Cochrane Database Syst Rev. 2012 Sep 12;9:CD009402.
4. Roffe C, Sills S, Crome P, et al. Randomised, cross-over, placebo controlled trial of magnesium citrate in the treatment of chronic persistent leg cramps. Med Sci Monit 2002;8:CR326–CR330.
5. Sebo P, Cerutti B, Haller DM. Effect of magnesium therapy on nocturnal leg cramps: a systematic review of randomized controlled trials with meta-analysis using simulations. Fam Pract. 2014 Feb;31(1):7-19.
6. Young G. Leg cramps. Clin Evid (Online). 2009 Mar 26;2009. pii: 1113.


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