Resveratrol zur Behandlung von Diabetes und weiteren Folgen des Übergewichts
Hintergrund
Pflanzen produzieren eine bemerkenswerte Menge von niedermolekularen Wirkstoffen mit einer Vielzahl unterschiedlicher biologischer Aktivitäten. Unter diesen Molekülen wurde Resveratrol (3,5,4-Trihydroxystilben) als ein wichtiger Modulator der Zellfunktion mit einer komplexen und vielfältigen Wirkung identifiziert. Umfangreiche Literatur zu den Wirkungen, vor allem In-vitro-Untersuchungen, legt nahe, dass Resveratrol die Zellproliferation und Zelldifferenzierung induziert sowie die Apoptose aktiviert. Resveratrol moduliert zudem Entzündungsprozesse und die Angiogenese. Ebenso bestätigen Studien das mögliche Potenzial dieser Verbindung zur Behandlung von Krebserkrankungen.Zahlreiche Untersuchungen in krankheitsspezifischen Tiermodellen lassen es wahrscheinlich erscheinen, dass Resveratrol sich positiv auf die Entwicklung von chronischen Erkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Übergewicht, koronare Herzkrankheit, metabolisches Syndrom und einer Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen auswirkt. Schließlich wurde in einer Reihe von Untersuchungen festgestellt, dass die Toxizität des Moleküls gering ist. Trotz dieser vielversprechenden Beobachtungen wurden bisher nur wenige klinische Studien durchgeführt, die die Wirksamkeit von Resveratrol bei der Prävention und Behandlung von chronischen Erkrankungen bewertet haben.
Resveratrol
Resveratrol ist ein pflanzliches Polyphenol, dem viele vorteilhafte Auswirkungen auf die Gesundheit zugeschrieben werden. Resveratrol besitzt neben seiner Wirkung als Antioxidans, entzündungshemmende und anti-proliferative Wirkungen. Es wird zudem vermutet, dass die Aufnahme von Resveratrol durch den Rotweinkonsum hinter dem so genannten Französischen Paradox steht, der geringeren Inzidenz von Herzkreislauferkrankungen in der französischen Bevölkerung trotz relativ hohen Alkoholkonsums.Resveratrol (3,4,5-Trihydroxystilben) wurde bisher in mindestens 72 Pflanzenarten gefunden und ist weit verbreitet in essbaren Lebensmittel und Getränken wie Maulbeeren, Erdnüssen, Trauben und Rotwein. Resveratrol kann entweder als Polyphenol oder Stilben klassifiziert werden und wird von Pflanzen gebildet, um sich gegen Schäden oder Infektionen durch ultraviolette Strahlen, Insekten, Bakterien und Pilzen zu schützen.
Übergewicht und Adipositas
Die Prävalenz der Adipositas hat sich in den vergangenen drei Jahrzehnten sowohl in Deutschland als auch weltweit erhöht. Jüngste Studien haben den Stellenwert der Nahrungs-Polyphenole bei der Vorbeugung von Übergewicht und den mit Adipositas verbundenen chronischen Erkrankungen gezeigt. Zahlreiche Studien bestätigen den Einfluss von häufig verzehrten Polyphenolen, wie z.B. Resveratrol, Curcumin und Grüntee-Catechinen, auf die Entwicklung von Übergewicht und den mit der Adipositas verbundenen Entzündungsprozessen.Wirkmechanismen von Resveratrol
In-vitro-Studien haben gezeigt, dass Resveratrol die Lebensfähigkeit von Adipozyten und die Proliferation von Präadipozyten reduziert sowie die Adipozyten-Differenzierung und die Triglycerid-Akkumulation in der Leber hemmt (13). Auch ist Resveratrol in der Lage die Lipolyse und Fettsäure-β-Oxidation zu stimulieren und Entzündungsprozesse zu verringern. Untersuchungen im Tiermodell sprechen dafür, dass die am häufigsten konsumierten Polyphenole eine ausgeprägte Wirkung auf die Adipositas haben, indem sie zu einem geringeren Körpergewicht, einer Abnahme der Fettmasse, einer Verminderung der Triglyceride, einer Erhöhung des Energieumsatzes sowie zu einer verbesserten Fettverbrennung beitragen (13).Daten aus einer Reihe von Untersuchungen in Tiermodellen zur ernährungsbedingten Adipositas haben gezeigt, dass Resveratrol die Insulinempfindlichkeit erhöht, die Glukosetoleranz verbessert und Plasmalipide positiv beeinflusst. Zudem verhindert Resveratrol die Entwicklung einer Fettleber, unterdrückt Entzündungsreaktionen und vermindert oxidativem Stress (1, 7, 9, 12).
Studien zur Wirksamkeit von Resveratrol
Kürzlich konnten die ersten präklinischen Daten beim Menschen bestätigt werden. Den Studiendaten zufolge verbessert Resveratrol bei übergewichtigen Erwachsenen mit Typ-2-Diabetes oder gestörter Glukosetoleranz die Insulinempfindlichkeit, postprandiale Blutzuckerwerte, die mitochondriale Funktion und Entzündungen (3, 4, 10).Möglicherweise profitieren Patienten mit einem manifesten Diabetes mellitus Typ 2 von einer ausreichend langen Behandlungsdauer mit Resveratrol.
In einer offenen Vergleichsstudie wurde an 62 Typ-2-Diabetikern die tägliche Einnahme von 250 mg Resveratrol ergänzend zu einer Diabetes-Standardtherapie im Vergleich zur Standardbehandlung ohne Resveratrol über einen Zeitraum von 3 Monaten untersucht (2).
Wesentliches Ergebnis war eine signifikante Verbesserung vom HbA1c und eine Reduktion des systolischen Blutdrucks in der Resveratrol-Gruppe. Hingegen wurden beim Körpergewicht und beim LDL-Cholesterin keine signifikanten Veränderungen beobachtet. Die Studienautoren schlussfolgern entsprechend, dass Resveratrol möglicherweise zur unterstützenden Behandlung des Diabetes mellitus Typ 2 geeignet sein könnte (2).
Eine Untersuchung an übergewichtigen Personen mit einer gestörten Glukosetoleranz über einen Behandlungszeitraum von 4 Wochen kommt zu dem Ergebnis, dass eine Hochdosis-Behandlung mit Resveratrol (1 bis 2 g täglich) den reaktiven Blutzuckeranstieg nach einer Mahlzeit günstig beeinflusst. Das Körpergewicht, die Blutfette und der Blutdruck blieben hingegen in dieser Studie unbeeinflusst (4).
Der genaue Mechanismus über den Resveratrol einen positiven Einfluss auf den Stoffwechsel von übergewichtigen Personen ausübt, ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Neue Untersuchungen geben Hinweise, dass Resveratrol u.a. die Glukagon-Sekretion beeinflusst und damit positiv auf den Zuckerstoffwechsel einwirkt. Dieser Effekt wurde bei Personen mit Adipositas (mittlerer BMI: 32) unter einer Einnahme von täglich 150 mg Resveratrol über einen Zeitraum von 30 Tagen beobachtet (6).
In einer kleinen placebo-kontrollierten Crossover-Studie an 12 stark übergewichtigen Erwachsenen wurde die Wirkung einer 30-tägigen Einnahme von täglich 150 mg Resveratrol untersucht (10).
Die geprüften Parameter belegen einen verbesserten Fettstoffwechsel mit einer erhöhten Fettverbrennung, einen verringerten intrahepatischen Lipidgehalt, eine Abnahme des HOMA-Index als Parameter für eine verbesserte Insulinempfindlichkeit, eine Abnahme des systolischen Blutdrucks und eine Verminderung von Entzündungsmarkern.
Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse positive Wirkungen von Resveratrol auf den Stoffwechsel, die vergleichbar waren mit Veränderungen infolge einer Kalorienrestriktion. Auch wenn die beobachteten Effekte vergleichsweise gering ausfielen, so waren sie insgesamt konsistent und deuten auf eine vorteilhafte Stoffwechselbeeinflussung durch Resveratrol hin. Verträglichkeitsparameter blieben in dieser Untersuchung unbeeinflusst, Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet (10).
Weitere kürzlich veröffentlichte Studienergebnisse bestätigen den positiven Einfluss von Resveratrol auf den Fettstoffwechsel bei übergewichtigen Erwachsenen (5). Unter einer sehr hohen Dosis von 1000 bzw. 2000 mg Resveratrol pro Tag konnte bereits nach einer zweiwöchigen Behandlung eine verminderte Lipoprotein-Bildung in der Leber und im Darm dokumentiert werden (5). Eine erhöhte Apolipoprotein-B-Produktion der Leber wird insbesondere bei Patienten mit Insulinresistenz und Adipositas beobachtet.
Die Studienlage zur Wirksamkeit von Resveratrol bei Adipositas ist widersprüchlich. Beispielsweise konnte in einer placebo-kontrollierten Doppelblindstudie über 4 Wochen an 24 übergewichtigen Personen kein Effekt von Resveratrol auf die Insulinsensitivität, die Blutzuckerkontrolle, den Blutdruck oder Entzündungsmarker beobachtete werden (8).
Diese Daten lassen Zweifel aufkommen an der Eignung von Resveratrol als Nahrungsergänzungsmittel bei durch Übergewicht bedingten Stoffwechselstörungen.
Eine weitere Untersuchung bestätigt die in tierexperimentellen Studien beschriebene entzündungsmodulierende Wirkung von Resveratrol bei Diabetes-Patienten mit Bluthochdruck (11). Demnach kann eine langfristige Nahrungsergänzung mit Resveratrol-haltigen Traubenextrakt wichtige pro-inflammatorische Zytokine herunterregulieren und sich damit günstig auf begleitende Entzündungsprozesse auswirken.
Die tägliche Einnahme von Traubenextrakt hatte nach einer 12-monatigen Behandlungsdauer allerdings keinen Einfluss auf das Körpergewicht und den Blutdruck der Patienten (11).
Unabhängig von Glukosestoffwechsel scheint Resveratrol auch einen günstigen Einfluss auf die arterielle Durchblutung zu haben. In einer 6-wöchigen, placebo-kontrollierten Doppelblindstudie an 28 übergewichtigen, ansonsten gesunden Erwachsenen konnte unter der täglichen Einnahme von Resveratrol eine signifikante Verbesserung der Durchblutung (flussvermittelte Vasodilatation, A. brachialis) dokumentiert werden (14).
Nebenwirkungen
Erste tierexperimentelle Daten deuten darauf hin, dass Resveratrol die Schilddrüsenfunktion stören kann. Resveratrol kann als Goitrogen wirken, d.h. es beeinträchtigt die Jodaufnahme in die Schilddrüse und kann dementsprechend bei regelmäßiger Zufuhr von z.B. Rotwein den TSH-Wert erhöhen. Bei einer Hashimoto-Thyreoiditis mit einer Hypothyreose sollte daher auf eine hohe Resveratrol-Zufuhr verzichtet werden. (Giuliani 2017)
Fazit
In der Mehrzahl klinischer Untersuchungen zur Wirkung von Resveratrol bei Adipositas und Diabetes mellitus Typ 2 zeigten sich positive Effekte auf unterschiedliche Parameter des Glukose- und Fettstoffwechsels. Besonders die mit Adipositas und Diabetes assoziierten Entzündungsphänomene scheinen auf eine Behandlung mit Resveratrol anzusprechen. Auch auf die Durchblutung konnte ein günstiger Effekt nachgewiesen werden. Widersprüchlich hingegen ist die Datenlage zur Senkung erhöhter Blutdruckwerte. Eine Abnahme des systolischen Blutdrucks scheint in Einzelfällen möglich. Eine Gewichtsreduktion ist den Studiendaten zufolge unter der Resveratrol-Anwendung unwahrscheinlich.Unklar sind derzeit noch die optimale Dosierung und die notwendige Behandlungsdauer von Resveratrol.
Weitere randomisierte kontrollierte Studien sind notwendig, um die Diskrepanzen zwischen präklinischen Wirkungsnachweis und widersprüchlichen klinischen Studien zu Resveratrol in Einklang zu bringen.
Weitere Beiträge zur Wirksamkeit von Resveratrol
Resveratrol zur Vorbeugung und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Literatur
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