Die Wirkung von Rotwein, Alkohol und Polyphenolen auf Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen


Warum ein mäßiger Rotweinkonsum einen positiven Effekt auf die Gesundheit haben kann.



Alkohol und Herz-Kreislauferkrankungen – die Dosis macht das Gift...


Fragen, die in diesem Beitrag beantwortet werden:

  • Kann ein regelmäßiger Alkoholgenuss wirklich gesund sein?
  • Welche gesundheitlichen Wirkungen hat ein mäßiger Rotweinkonsum?
  • Alkohol ist nicht gleich Alkohol – Ist Rotwein der „bessere“ Alkohol?
  • Was macht Rotwein so „gesund“? Ist es der Alkohol, die Polyphenole oder beides?
  • Bis zu welcher täglichen Trinkmenge kann Alkohol positiv wirken?


Hintergrund

Seit langem wird vermutet, dass ein gewohnheitsmäßiger leichter bis mäßiger Alkoholkonsum (bis zu 1 Getränk pro Tag für Frauen und 1 oder 2 Getränke pro Tag für Männer) mit einem verminderten Risiko für zahlreiche Herz-Kreislauferkrankungen, wie z.B. koronare Herzkrankheit, Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz und Schlaganfall verbunden ist. Auch die Gesamtsterblichkeit soll durch geringe Alkoholmengen vermindert werden. 

Unbestritten ist hingegen, dass ein hoher Alkoholkonsum mit einem erhöhten Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen verbunden ist. In der Tat ist der übermäßige Alkoholkonsum, hinter Rauchen und Übergewicht, die dritthäufigste Ursache für einen vorzeitigen Tod. Schwerer Alkoholkonsum ist eine der häufigsten Ursachen für einen reversiblen Bluthochdruck, ist für etwa einen Drittel aller Fälle von nicht-ischämischer Kardiomyopathie verantwortlich, ist eine häufige Ursache von Vorhofflimmern und erhöht deutlich das Risiko für einen Schlaganfall - sowohl den ischämischen als auch den hämorrhagischen Schlaganfall. Bei Männern im Alter von 15 bis 59 Jahren ist Alkoholmissbrauch der häufigste Risikofaktor für einen vorzeitigen Tod. 

Das Ziel dieses Beitrages ist es, das derzeitige Wissen zur Wirkung von moderatem Alkoholkonsum auf Herz-Kreislauferkrankungen zusammenzustellen und die Auswirkungen der verschiedenen Arten von alkoholischen Getränken, insbesondere von Rotwein auf das Risiko dieser Erkrankungen, zu bewerten. Grundlage dieser Bewertung ist eine kürzlich publizierte französische Übersichtsarbeit von Chiva-Blanch und Mitarbeitern zu diesem Thema (4).


Definition von Alkoholmengen

Um Studienergebnisse miteinander vergleichen zu können, ist es wichtig eine übereinstimmende Definition von den konsumierten Alkoholmengen zu haben.
Trotz der Unterschiede zwischen einzelnen Ländern ist die am meisten akzeptierte Definition „eines alkoholischen Getränkes“ folgende: 330 ml normales Bier (5 % Alkohol, ~ 50 g / l), 125 ml Wein (12 % Alkohol, ~ 120 g / l) bzw. 40 ml Spirituosen (40 % Alkohol, ~ 400 g / l).

Allgemeiner Konsens ist, dass als ein moderater Alkoholkonsum weniger als 30 g Alkohol pro Tag (zwei Getränke) bei Männern und 15 g Alkohol pro Tag (ein Getränk) bei Frauen gilt.



Studien zur Wirksamkeit von Alkohol zur Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen



Cholesterin

Es scheint unzweifelhaft, dass ein mäßiger Alkoholkonsum (unabhängig von der Art des alkoholischen Getränkes) zu einer Erhöhung von HDL-Cholesterin in einer dosisabhängige Weise beiträgt (3), dies trifft auch zu auf Patienten mit Bluthochdruck (12). Dennoch wird gegenwärtig die Auffassung vertreten, dass der HDL-Anstieg nicht der entscheidende Mechanismus ist, über den Alkohol seine kardioprotektive Wirkung entfaltet (11).


Arteriosklerose

Die bisherigen Studienergebnisse zusammenfassend, scheint es plausibel, dass ein moderater Alkoholkonsum über unterschiedliche Wirkansätze eine vorbeugende Wirkung auf die Arteriosklerose-Entstehung ausübt (4).


Diabetes mellitus

Zwei Metaanalysen von 20 und 15 Studien (2, 10), weisen darauf hin, dass ein regelmäßiger Alkoholkonsum ein Schutzfaktor für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes darstellen könnte, wenn Alkohol in moderaten Mengen konsumiert wird. Diese Risikominderung gilt im Vergleich mit Personen, die lebenslang alkoholabstinent waren oder im Vergleich zu Personen mit einem übermäßigen Alkoholkonsum (>60 g / Tag bei Männern und >50 g / Tag bei Frauen).
Obwohl nicht alle Studien, so wurde doch in mehreren randomisierten klinischen Studien eine signifikante Schutzwirkung von moderatem Alkoholkonsum, vor allem in Form von Rotwein, gegenüber der Entstehung einer Insulinresistenz beobachtet.


Blutdruck

In Bezug auf den Blutdruck weisen die Ergebnisse einer aktuellen Metaanalyse darauf hin, dass ein Alkoholkonsum das Risiko von Bluthochdruck in einer dosisabhängigen Weise erhöht (18). Umgekehrt führt eine Verringerung der Alkoholkonsum bei starken Trinkern ebenfalls dosisabhängig zu einer Abnahme des Blutdrucks (19). Außerdem scheint das Trinken von Alkohol außerhalb der Mahlzeiten, unabhängig von der Menge an Alkohol, das Risiko für einen Bluthochdruck zu erhöhen (17). Den Daten zufolge scheinen moderate Mengen an Alkohol keine Auswirkungen auf den Blutdruck zu haben bzw. ihn nicht zu reduzieren (9, 17).


Thrombose

In einer großen Fall-Kontroll-Studie von Patienten mit einer ersten Venenthrombose (13) zeigte sich, dass im Vergleich zu Abstinenzlern, ein Alkoholkonsum (2 - 4 Getränke /Tag) zu einem verminderten Risiko einer venösen Thrombose beiträgt. Der gerinnungshemmende Effekt von moderatem Alkoholkonsum scheint bei gesunden Personen wie auch bei Patienten mit Gerinnungsstörungen wirksam zu sein.


Schlaganfall

Auf der anderen Seite konnte in einer Metaanalyse aus 122 Studien dokumentiert werden, dass ein sehr geringer Alkoholkonsum von weniger als 12 g / Tag ( < 1 Getränk pro Tag) im Vergleich zur Alkoholabstinenz mit einem verringerten relativen Risiko eines Schlaganfalls verbunden war (4).

Wirkung von Alkohol bei Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen

Wie in den vorangegangenen Abschnitten erläutert, hat ein moderater Alkoholkonsum einen herzschützenden Effekt bei gesunden Probanden und Risikopatienten für Herz-Kreislauferkrankungen. Doch es stellt sich die Frage, ob auch Patienten mit einer bereits bestehenden Herz-Kreislauferkrankung von einem mäßigen Alkoholkonsum profitieren können. Ausgenommen sind natürlich Situationen, in denen Alkohol zu einer Wechselwirkung mit einer bestehenden medikamentösen Therapie führen könnte und daher vollständig zu vermeiden ist. Die Datenlage zusammenfassend, weisen mehrere Studien auf vorteilhafte Wirkungen eines moderaten Alkoholkonsums bei Patienten mit manifesten Herz-Kreislauferkrankungen hin (4).

Eine Metaanalyse zur Wirkung von Alkohol bei Patienten mit einem kardiovaskulären Ereignis in der Vergangenheit liefert erste Hinweise, dass ein leichter bis mäßiger Alkoholkonsum (5 - 25 g /Tag) mit einer signifikant geringeren Inzidenz von sekundären Herz-Kreislauf-Todesfällen und einer geringeren Gesamtmortalität verbunden sein könnte. Wichtig ist der Hinweis, dass auch der langfristig moderate Alkoholkonsum das Risiko von Vorhofflimmern erhöht. Daher sollten Patienten mit Vorhofflimmern Alkohol komplett vermeiden (5).

Darüber hinaus bestehen weitere geschlechtsspezifische Unterschiede: im Bezug auf die Gefahr einer Venenthrombose scheinen Frauen mehr von einem moderaten Alkoholkonsum zu profitieren als Männer (13).

Alkohol ist nicht gleich Alkohol – Ist Rotwein der „bessere“ Alkohol?

Die gesundheitsfördernde Wirkung von Rotwein auf das Herz-Kreislauf-System scheint größer als die anderer alkoholischer Getränke, wahrscheinlich aufgrund des hohen Polyphenol-Gehaltes (u.a. Resveratrol). Eine Metaanalyse von 23 Studien analysierte die kardiovaskulären Wirkungen von Wein und Bier (8). Die Autoren beobachteten eine inverse Beziehung zwischen moderatem Weinkonsums und dem Risiko von Gefäßerkrankungen. Personen mit moderatem Weinkonsum (bis zu 150 ml /Tag) wiesen im Vergleich zu Personen, die keinen Alkohol tranken, ein um 32 Prozent vermindertes Risiko für eine Gefäßerkrankung auf. Auch das Biertrinken war mit einem verringerten Risiko von Gefäßerkrankungen verbunden, dieser Effekt war jedoch weniger stark ausgeprägt als unter Weintrinkern. Eine klare Dosis-Wirkungsbeziehung war bei Biertrinkern nicht festzustellen.
Weintrinker zeigen zudem eine reduziert kardiovaskuläre Sterblichkeit und eine geringere Inzidenz von nicht-tödlichen Komplikationen.

Auch in Bezug auf die Vorbeugung eines Diabetes mellitus dokumentieren die bisherigen Untersuchungen Vorteile für einen moderaten Rotweinkonsum im Vergleich zu Bier und Spirituosen (4).
Die antioxidative Schutzwirkung als auch die entzündungshemmenden Eigenschaften von Rotwein scheinen beträchtlich größer als die von anderen alkoholischen Getränken (4).

Darüber hinaus belegen Studien mit Rot- und Weißwein eine stärker ausgeprägte Schutzwirkung von Rotwein in Vergleich zu Weißwein in Bezug auf Herz-Kreislauferkrankungen (4).
 

Zusammenfassend entfalten sowohl Alkohol als auch Polyphenol-Verbindungen eine Schutzwirkungen auf verschiedene Organsysteme. Auch wenn sie nicht synergistisch zu wirken scheinen, ist die Summe der Wirkungen von Alkohol und Polyphenolen größer als die Wirkung von Alkohol allein. Daher scheint es plausibel, dass Wein (vor allem Rotwein) und möglicherweise Bier einen größeren kardiovaskulären Nutzen aufweisen als Spirituosen.


Übermäßiger Alkoholkonsum, Rauschtrinken und Krebs

Obwohl ein täglich geringer bis mäßiger Alkoholkonsum invers mit dem Risiko von Herz-Kreislauferkrankungen korreliert, gibt es Hinweise, dass ein zunehmender Alkoholkonsum das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen, für eine Leberzirrhose und Unfälle ganz allgemein erhöht (7). Drei oder mehr alkoholische Getränke pro Tag können das Risiko von Herzerkrankungen, Bluthochdruck, Schlaganfall, Adipositas, Hypertriglyzeridämie, Brustkrebs, Neurodegeneration, depressive Störungen, Osteoporose, Selbstmord und Verletzungen erhöhen (16).

Rauschtrinken, definiert als die Menge an alkoholischen Getränken, die innerhalb von etwa 2 Stunden die Blut Alkoholkonzentrationen auf 0,08 g/dl erhöht (ca. vier Getränke für Frauen und fünf für Männer) und der unregelmäßige übermäßige Alkoholkonsum scheinen den beschriebenen Schutz von moderatem Alkoholgenuss vor Herz-Kreislauferkrankungen entgegenzuwirken (1). Diese Art von Alkoholkonsum führt zu einer Erhöhung des Schlaganfallrisikos (14) und der Gesamtsterblichkeit (15).
 

Wein (oder jede andere Art von alkoholischen Getränken) in jeder Menge ist kontraindiziert für schwangere Frauen, Kinder, Patienten mit Lebererkrankungen und in Kombination mit der Verabreichung bestimmter Medikamente. Besondere Vorsicht ist geboten in Bezug auf einen regelmäßigen Weinkonsum bei Personen mit einer Prädisposition für eine Alkoholabhängigkeit.


Fazit

Ein hoher Alkoholkonsum oder das Rauschtrinken führen zweifellos zu einer erhöhten Erkrankungshäufigkeit und Sterblichkeit. Hingegen hat ein moderater Alkoholkonsum, vor allem von alkoholischen Getränken reich an Polyphenolen einen schützenden Effekt vor Herz-Kreislauferkrankungen. Das gilt für Patienten mit einer bereits bekannten Herz-Kreislauferkrankung als auch für gesunde Personen.

Der geringe bis moderate tägliche Alkoholkonsum, idealerweise von Rotwein vor oder während des Abendessens, ist mit einer deutlichen Verminderung des Risikos von Herz-Kreislauferkrankungen verbunden. Dies ist jedoch kein Argument Menschen, die bisher keinen Alkohol trinken, den Alkoholkonsum zu empfehlen. Dazu sind die bisherigen Studiendaten nicht ausreichend, zumal es nur ein schmaler Grad ist zwischen einem mäßigen Alkoholgenuss mit positiven Auswirkungen und einem Zuviel an Alkohol mit den bekannten negativen gesundheitlichen Folgen. 



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Literatur

1. Bagnardi V, Zatonski W, Scotti L et al. (2008) Does drinking pattern modify the effect of alcohol on the risk of coronary heart disease? Evidence from a meta-analysis. J Epidemiol Community Health 62:615–9.
2. Baliunas DO, Taylor BJ, Irving H et al. (2009) Alcohol as a risk factor for type 2 diabetes: A systematic review and meta-analysis. Diabetes Care 32:2123–32.
3. Brien SE, Ronksley PE, Turner BJ et al. (2011) Effect of alcohol consumption on biological markers associated with risk of coronary heart disease: systematic review and meta-analysis of interventional studies. Br Med J 342:d636.
4. Chiva-Blanch G, Arranz S, Lamuela-Raventos RM, Estruch R. Effects of wine, alcohol and polyphenols on cardiovascular disease risk factors: evidences from human studies. Alcohol Alcohol. 2013 May-Jun;48(3):270-7.
5. Costanzo S, Di Castelnuovo A, Donati MB et al. (2010) Alcohol consumption and mortality in patients with cardiovascular diseased: a meta-analysis. J Am Coll Cardiol 55:1339–47.
6. Costanzo S, Di Castelnuovo A, Donati MB et al. (2011) Wine, beer or spirit drinking in relation to fatal and non-fatal cardiovascular events: a meta-analysis. Eur J Epidemiol 26:833–50.
7. Di Castelnuovo A, Costanzo S, Donati MB et al. (2010) Prevention of cardiovascular risk by moderate alcohol consumption: epidemiologic evidence and plausible mechanisms. Intern Emerg Med 5:291–7.
8. Di Castelnuovo A, Rotondo S, Iacoviello L et al. (2002) Meta-analysis of wine and beer consumption in relation to vascular risk. Circulation 105:2836–44.
9. Frisoli TM, Schmieder RE, Grodzicki T et al. (2011) Beyond salt: lifestyle modifications and blood pressure. Eur Heart J 32:3081–7.
10. Koppes LL, Dekker JM, Hendriks HF et al. (2005) Moderate alcohol consumption lowers the risk of type 2 diabetes: a meta-analysis of prospective observational studies. Diabetes Care 28:719–25.
11. Magnus P, Bakke E, Hoff DA et al. (2011) Controlling for highdensity lipoprotein cholesterol does not affect the magnitude of the relationship between alcohol and coronary heart disease. Circulation 124:2296–302.
12. Park H, Kim K. (2012) Association of alcohol consumption with lipid profile in hypertensive men. Alcohol Alcohol 47:282–7.
13. Pomp ER, Rosendaal FR, Doggen CJ. (2008) Alcohol consumption is associated with a decreased risk of venous thrombosis. Thromb Haemost 99:59–63.
14. Reynolds K, Lewis B, Nolen JD et al. (2003) Alcohol consumption and risk of stroke: a meta-analysis. JAMA 289:579–88.
15. Romelsjö A, Allebeck P, Andréasson S et al. (2012) Alcohol, mortality and cardiovascular events in a 35 year follow-up of a nationwide representative cohort of 50 000 Swedish conscripts up to age 55. Alcohol Alcohol 47:322–7.
16. Saremi A, Arora R. (2008) The cardiovascular implications of alcohol and red wine. Am J Ther 15:265–77.
17. Stranges S, Wu T, Dorn JM et al. (2004) Relationship of alcohol drinking pattern to risk of hypertension: a population-based study. Hypertension 44:813–9.
18. Taylor B, Irving HM, Baliunas D et al. (2009) Alcohol and hypertension: gender differences in dose-response relationships determined through systematic review and meta-analysis. Addiction 104:1981–90.
19. Xin X, He J, Maria G et al. (2001) Effects of alcohol reduction on blood pressure: a meta-analysis of randomized controlled trials. Hypertension 38:1112–7.


 

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