Atemwegsinfektionen vorbeugen – wirken Flavonoide aus Obst und Gemüse?


  • Erkältung, Rachenentzündung, Nasennebenhöhlenentzündung - Verringern Flavonoide die Schwere und Dauer von Infektionskrankheiten?

  • Hilft eine flavonoid-reiche Ernährung Erkältungen vorzubeugen?

  • Warum wirkt „gesunde Ernährung“? – sind Flavonoide ein Teil der Erklärung?



Flavonoide, eine Gruppe natürlicher Substanzen mit variablen phenolischen Strukturen, finden sich in Früchten, Gemüsen, Tee und Wein. Diese natürlichen Produkte sind für ihre positiven Wirkungen auf die Gesundheit bekannt.
Flavonoide sind verantwortlich für die Farbe und das Aroma von Pflanzen. Flavonoide schützen Pflanzen vor Frost oder Trockenheit und wirken als UV-Filter, sie haben zudem eine Funktion als Signalmoleküle für die Bestäubung.
Derzeit sind etwa 6000 Flavonoide bekannt, die u.a. zum farbigen Aussehen von Früchten, Kräutern, Gemüse und Heilpflanzen beitragen (4).


Atemwegsinfektionen

Infektionen der oberen Atemwege umfassen eine Reihe von akuten Erkrankungen, einschließlich Nasennebenhöhlenentzündung, Mandelentzündung, Rachenentzündung, Mittelohrentzündung und "Erkältung".


Häufigkeit von Atemwegsinfektionen

Über einen Zeitraum von 4 Wochen berichteten durchschnittlich 23,1 % der erwachsenen Bevölkerung von einer Infektion der oberen Atemwege. Im Allgemeinen haben Erwachsene 2 bis 3 obere Atemwegsinfektionen pro Jahr, während Kinder bis zu 5 Infektionen durchmachen. Die Symptome der Infektion erreichen ihren Höhepunkt gewöhnlich 24-72 Stunden nach der Infektion und können 7-14 Tage andauern. Mehr als 200 verschiedene Viren verursachen Infektionen der oberen Atemwege (6).


Ergebnisse klinischer Studien zur Wirkung von Flavonoiden

Ziel einer systematischen Übersichtsarbeit war es, die Wirksamkeit von Flavonoiden aus der Ernährung bei Infektionen der oberen Atemwege zu untersuchen (6).
Vierzehn Studien wurden in diese Analyse einbezogen, primäres Ziel war es, die Wirkung von Flavonoiden auf die Häufigkeit, Dauer und Schwere von Infektionen der oberen Atemwege zu untersuchen. In die Metaanalyse flossen die Daten von 6 Studien mit 531 Teilnehmern ein. Die zusätzliche Flavonoid-Aufnahme in den eingeschlossenen Studien reichte von 200 mg bis 1.200 mg pro Tag.
Ergebnisse: Insgesamt verringerte die zusätzliche Flavonoid-Aufnahme die Infektionshäufigkeit im Vergleich zur Kontrollgruppe um 33 %. Die Zahl der Krankheitstage wurde durch die Flavonoid-Zufuhr um 40 % verringert (6).

In einer Studie dieser Metaanalyse wurde eine statistisch signifikante Reduktion der Fehltage am Arbeitsplatz in der Flavonoid-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe beobachtet. Zwei weitere Studien berichteten zudem über eine statistisch signifikante Reduktion der Symptome einer Infektion nach Flavonoid-Gabe im Vergleich zur Kontroll-Gruppe.


Wirkmechanismus von Flavonoiden

Gegenwärtig deuten experimentelle Daten darauf hin, dass Flavonoide antivirale Aktivitäten aufweisen. Wobei die einzelnen Flavonoide unterschiedliche Wirkungen auf Viren haben: Quercetin und Hesperetin hemmen die Vermehrung von RSV und Parainfluenza-Virus Typ 3, während Catechine und Quercetin den Vorgang der Infektion beeinflussen. Zudem wurde z.B. für Quercetin einen Dosis-Wirkungs-Beziehung dokumentiert.

Wie hoch sollte die Flavonoid-Aufnahme liegen, um das Infektionsrisiko zu verringern?

Auf Basis bisheriger Studiendaten scheint ein Flavonoid-Aufnahme von täglich etwas 1000 mg notwendig, um das Risiko von Infektionen der oberen Atemwege relevant zu vermindern. Die durchschnittliche Flavonoid-Aufnahme in Deutschland lag zuletzt bei 573 mg pro Tag (7).

Aufgrund dieser Zahlen ist es wahrscheinlich, dass bei vielen Menschen eine Ernährungsumstellung notwendig ist, um die Häufigkeit von Infektionen der oberen Atemwege allein durch die Ernährung zu reduzieren.

Die notwendige Zufuhr von 1000 mg Flavonoiden kann am leichtesten erreicht werden, wenn folgende Lebensmittel regelmäßiger Bestandteil der täglichen Ernährung werden: schwarzer Johannisbeersaft, Holundersaft, Grüner Tee, Auberginen, schwarze Oliven und in Maßen dunkle Schokolade.


Tabelle: Wichtige Flavonoide in Nahrungsmitteln (1, 3, 5)

Flavonoide
Nahrungsmittel mit hohem Gehalt
Anthocyane
Kirsche, Himbeere und Erdbeere, Johannisbeersaft, Holundersaft, Heidelbeere, Brombeere, Aubergine, schwarze Oliven
Quercetin
Tee, Äpfel, Zwiebeln, Rotwein, Olivenöl, Beeren, Grapefruit, Brokkoli, grüne Bohnen, Grünkohl, Kapern, dunkle Schokolade, schwarze Oliven
Hesperidin
Zitrusfrüchte (Orangen, Mandarinen, Zitronen, Grapefruit), besonders in den Schalen von Zitronen und Orangen
Genistein
Fette, Öle, Rindfleisch, Rotklee, Sojabohnen
Catechine
Schwarzer Tee, Grüner Tee, Kakao, Äpfel, Aprikosen, Birnen,  Pfirsiche, Pflaumen, Quitten, Sauerkirschen, Stachelbeeren, dunkle Schokolade
Rutin
Fruchtschalen, Rotwein, Buchweizen, Paprika und Tomatenhaut, Grüner Tee, Traubenkerne, Apfel, Zitrusfrüchte, Beeren, Pfirsiche
Genistin
Sojabohnen
Kaempferol
Äpfel, Trauben, Tomaten, grüner Tee, Kartoffeln, Zwiebeln, Brokkoli, Rosenkohl, Kürbis, Gurken, Salat, grüne Bohnen, Pfirsiche, Brombeeren, Himbeeren, Spinat


Sollte über die tägliche Ernährung zeitweise die hohe Flavonoid-Zufuhr nicht erreicht werden, stehen Nahrungsergänzungsmittel mit Flavonoiden (u.a. Quercetin, Genistein, Hesperidin, Anthocyane, Catechine) zur Verfügung.


Beispiele für Nahrungsmittel, die zu einer hohen Flavonoid-Zufuhr beitragen (2):

• 1 Glas (0,2 l) schwarzer Johannisbeersaft (ca. 2.600 mg Anthocyane)
• 1 Glas (0,2 l) Holundersaft (ca. 3.800 mg Anthocyane)
• 200 g Aubergine (ca. 1.500 mg Anthocyane)
• 1 Tafel Schwarze Schokolade; 237 mg Flavonoide
• 200 ml Grüner Tee (Aufguss): 154 mg Flavonoide
• 300 g frischer Spinat: 357 mg Flavonoide
• 100 g schwarz Oliven 160 mg Flavonoide
• 1 Glas Grapefruitsaft (0,2 l): 94 mg Flavonoid
• 1 Glas Orangensaft (0,2 l) 88 mg Flavonoide


Link: 

 

Verschieden Heilpflanzen weisen einen hohen Gehalt an Flavonoiden auf:

Arnika, Birkenblätter, Kamille, Mariendistelfrüchte, Passiflora incarnata, Süßholzwurzel, Weißdornblätter mit Blüten, Ginkgoblätter (3).


Diskussion

Aus den bisherigen wissenschaftlichen Untersuchungen lassen sich folgende vorläufige Schlüsse ableiten: Es scheint möglich, durch die Zufuhr ausgewählter Lebensmittel das Risiko von Infektionen der Atemwege zu vemindern. Der Gehalt an Flavonoiden erklärt zum Teil den positiven Effekt von Obst und Gemüse als Teil einer „gesunden Ernährung“. Die Zufuhr verschiedener Obst- und Gemüse-Sorten scheint notwendig, da gerade die Vielzahl von Flavonoiden mit unterschiedlicher Wirkung zur Verringerung von Infektionen beizutragen scheint. Darüber hinaus gibt es wahrscheinlich eine Dosis-Wirkungsbeziehung, d.h. mit steigender Zufuhr bestimmter Obst- und Gemüse-Sorten erhöht sich die Schutzwirkung vor viralen Infektionen. Bisherigen Daten deuten auch darauf hin, dass es einen Schwellenwert für die Wirkung der Flavonoide gibt, d.h. es ist eine Mindestmenge an Flavonoiden in Form von Obst und Gemüse notwendig, um eine Infektionsschutz zu realisieren. Es wäre demnach auch plausibel, dass Personen, die eine unzureichende Menge an Flavonoiden in Form von Obst und Gemüse zuführen, ein erhöhtes Risiko für Infektionen der oberen Atemwege aufweisen.


Fazit

Flavonoide sind eine wichtige Klasse von Naturprodukten. Sie sind weit verbreitet in Früchten, Gemüsen und bestimmten Getränke.
Durch die erhöhte Zufuhr ausgewählter Nahrungsmittel mit einem hohen Gehalt an Flavonoiden scheint es möglich, das Risiko für Infektionen der oberen Atemwege relevant zu verringern.


Weitere Beiträge zum Thema Flavonoide:


  • Welche gesundheitlichen Wirkungen haben Flavonoide aus Obst und Gemüse?

  • Welche Nahrungsmittel haben einen hohen Flavonoidgehalt?
  • Welche Lebensmittel enthalten viel Quercetin (ein Flavonoid)?
  • Gesundheitlichen Wirkungen von Blaubeeren

 

Quellennachweis - Literatur

1. Anthocyane – Wikifpedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Anthocyane
2. Datenbank Polyphenole: http://phenol-explorer.eu
3. Flavonoide – Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Flavonoide
4. Panche AN, Diwan AD, Chandra SR. Flavonoids: an overview. J Nutr Sci. 2016 Dec 29;5:e47.
5. Quercetin – Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Quercetin
6. Somerville VS, Braakhuis AJ, Hopkins WG. Effect of Flavonoids on Upper Respiratory Tract Infections and Immune Function: A Systematic Review and Meta-Analysis. Adv Nutr. 2016 May 16;7(3):488-97.
7. Vogiatzoglou A, Mulligan AA, Lentjes MA, Luben RN, Spencer JP, Schroeter H, Khaw KT, Kuhnle GG. Flavonoid intake in European adults (18 to 64 years). PLoS One. 2015 May 26;10(5):e0128132.

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